Nicht länger am Rand

Tabu war gestern: Als vor 20 Jahren in Österreich die Schwarzen mit den Braunen, ähm Blauen, erstmals eine Koalition bildeten, sorgte das noch für eine politische Schockwelle. International hagelte es Kritik an der Zusammenarbeit der Konservativen mit den Rechtsextremen. Die damals 14 anderen EU-Partnerstaaten ergriffen Maßnahmen gegen Österreich und forderten ein Ausscheiden der FPÖ aus der Regierung in Wien. Von ähnlichen Reaktionen auf die heutige Wahl von Ulf Kristersson zum neuen Regierungschef in Schweden mit den Stimmen der rassistischen Schwedendemokraten kann keine Rede sein. Die politischen Kräfteverhältnisse in der EU haben sich verschoben, zudem wurde bei ihrer Osterweiterung extremer Nationalismus mit eingekauft.

Insgesamt hat sich der rechte Rand als Herrschaftsverhältnisse stabilisierender Faktor bewährt. Wut und Protest lenkt er populistisch als Sozialdarwinismus und Hass auf Einwanderer um. Seine Aufwertung (Normalisierung) wird auch aus machttaktischen Gründen von der politischen Mitte aktiv mit betrieben.

Dieser Aufstieg der Rechten ist auch in Deutschland rasant. Vor knapp einem Jahrzehnt erhielten hier ein paar Ultraliberale, Erzkonservative und völkische Nazis für ihr bescheidenes Parteiprojekt eine sehr förderliche mediale Aufmerksamkeit. Und ein paar Hundert Demonstranten eines Vereins mit dem urkomischen Namen Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes wurden nicht einfach ausgelacht, sondern schafften es mit dummen Stammtischparolen auf Anhieb in die Tagesschau. Viele andere Gruppen, die in Deutschland Tag für Tag für vernünftige Anliegen auf die Straße gehen, können von so etwas nur träumen.

Wie wenig in unseren Medien mittlerweile mit dem modernen Neofaschismus gefremdelt wird, lese ich auch aus einem Bericht des Redaktionsnetzwerks Deutschland über den Krach in der künftigen Rechtskoalition Italiens heraus. Die designierte Ministerpräsidentin Giorgia Meloni wird hier als taffe Person präsentiert, die eine kompetente Regierung auf die Beine stellen möchte. Zwar habe sie „in der Familienpolitik und in Genderfragen ultrakonservative Ansichten“ heißt es, „aber in einem Punkt ist sie eine moderne und selbstbewusste Frau: Sie lässt sich weder vom politisch abgewirtschafteten Patriarchen Silvio Berlusconi noch vom Macho-Rüpel Matteo Salvini auf der Nase herumtanzen.“ Hut ab! Da Meloni auch Brüssel keine echten Scherereien machen dürfte und die Ukraine bis zum Endsieg unterstützen will, gibt es an der Dame eigentlich wenig auszusetzen …