Menschenrechtskämpfer

Beim parlamentarisch-juristischen Putsch in Brasilien ging es von Anfang an ganz besonders auch um seinen Kopf. Brasiliens Expräsident Lula Inácio da Silva ist dort die Symbolfigur für die Sache sozialen Fortschritts. Während seiner Regierungszeit von 2003 bis 2011 erlebte das größte Land Südamerikas, von reichen Eliten beherrscht, einen bis dahin unvorstellbaren Wandel. Der Hunger wurde dank großer Sozialprogramme weitgehend besiegt, aus Armen wurden Konsumenten, Millionen stiegen auf der gesellschaftlichen Leiter auf, erhielten Zugang zu Bildung und Gesundheit. Außenpolitisch agierte Brasilien souverän und kooperativ. Der aus dem rückständig gehaltenen Nordosten stammende frühere Arbeiter und Gewerkschafter Lula war zu einem international geachteten politischen Führer avanciert, dessen Name neben solchen wie Nelson Mandela steht.

thumbnail of 2017-01-31-03_Kollektiv gegen TemerDer Kopf dieses Mannes wäre eine Trophäe von hohem Wert für die parteiliche Ermittlungsgruppe im Lava-Jato-Korruptionsskandal, die Lula mit märchenhaften Anklagen überzieht. Ebenso für die rechten Konzernmedien, die das Verleumdungsgeschäft besorgen. Über Reichtümer wie ein König Drosselbart soll er demnach verfügen. Seit Jahrzehnten durchleuchtet und bespitzelt wie kein Zweiter, soll er insgeheim als „Oberkommandierender einer kriminellen Organisation“ gewirkt haben. Beweise haben seine Verfolger nach eigenen Aussagen zwar nicht, dafür aber „Überzeugungen“ und Powerpoint-Präsentationen, auf denen alle Pfeile auf den Mann im Zentrum zeigen. Seine Verhaftung sei nur noch eine „Frage des Timings“, sagen die Kommissare.

Auf dem Treffen der brasilianischen Demokratiebewegung in Amsterdam zerpflückten Lulas Anwälte die Vorwürfe restlos. Der wehrt sich auch vor dem Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen. Hauptgrund für den Verfolgungseifer gegen ihn ist die ungebrochene Popularität des Politikers der Arbeiterpartei bei den kleinen Leuten. Nach allen Umfragen wäre Lula weiter der aussichtsreichste Kandidat des linken Lagers bei den 2018 anstehenden Präsidentschaftswahlen. Deshalb steht Lula im Fadenkreuz, deshalb ist internationale Solidarität gefordert.

Von Peter Steiniger, Amsterdam. Erschienen in: junge Welt vom 21.01.2017, S.3, Link