Mit leichter Sandale

Ach, kleines Nicaragua, so stolz und so bedroht, noch brauchst du fremde Hilfe, sonst wär’ bald eine Hoffnung tot.“ Der von dem ostdeutschen Liedermacher Gerhard Schöne besungene Solidaritätsgedanke mit dem zentralamerikanischen Land, das sich bald nach dem Sieg der sandinistischen Revolution am 17. Juli 1979 und der Vertreibung von Diktator Somoza nach Florida einem von den USA geschürten Bürgerkrieg rechtsgerichteter Contras ausgesetzt sah, war in den 1980er Jahren in Ost und West populär.

„Mit dem Gesicht zum Volke“ – in diesem Motto kristallisierte sich gerade in der DDR die breite Sehnsucht nach wirklicher Partizipation und das Unbehagen über eine abgehobene, reform- und dialogunwillige Führung. Diese unterstützte Nicaragua als Verbündeten vielfältig, half bei der Entwicklung des Bildungs- und Gesundheitswesens, entsandte Aufbauhelfer. Neben staatlich initiierten bildeten sich auch unabhängige Solidaritätskomitees, oft im Umfeld der Kirche.

Auch in der Bundesrepublik und anderen westlichen Ländern entstand eine breite Sympathisantenbewegung mit dem fortschrittlichen Projekt der Sandinisten. Tausende zog es als freiwillige Helfer auf Baumwollfelder oder Kaffeeplantagen in Nicaragua. Nicht der Bund-, sondern der Riemenschuh war das Erkennungsmerkmal der meist jungen revolutionären Schwärmer, was ihnen den Beinamen „Sandalistas“ eintrug. Auch Immanuel Zerger, vor drei Jahrzehnten 2. Vorsitzender der Evangelischen Jugend in Bayern, wurde auf Reisen durch Mittelamerika vom Nicaragua-Fieber angesteckt und stürzte sich in die Solidaritätsarbeit. „Es ging mir ums Engagement für Frieden, Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung.“, beschreibt er seine Motive. Zerger sammelte Geld für Alphabetisierungskampagnen, baute eine Partnerschaft zur lutherischen Jugend und Kirche Mittelamerikas auf und unterstützte Flüchtlinge von El Salvador und Guatemala in Honduras.

Die Wurzeln, die er in Nicaragua schlug, überdauerten auch die traumatische Wahlniederlage der sandinistischen FSLN 1990, die sich seit 2006 und erneut unter Daniel Ortega wieder an der Macht befindet. Mit seiner Frau Arcia betreibt Zerger das kleine Hotel „Mancarrón“ auf dem Archipel von Solentiname im großen Nicaragua-See. Das Naturparadies am für die Ureinwohner geheiligten Gewässer mit tausendjähriger indianischer Kulturgeschichte ist dank einer neu geteerten Straße nach San Carlos, wo es per Motorboot weitergeht, von der Hauptstadt Managua aus innerhalb eines halben Tages erreichbar. Mit dem Linienflug in der Cessna erreicht man San Carlos sogar in weniger als einer Stunde.

„Solentiname ist kein Ort für den Massentourismus, sondern etwas für Leute, die sich auf Menschen einlassen wollen, die in einer Einheit mit der Natur und ihrer Kunst, in der Tradition indianischer Malerei, leben.“ Es ist eine erzählende, narrative Malerei. Gerühmt wird das „Hotelito“ auch für seine gute Küche. Seine Betreiber sahen sich über Jahre wenig appetitlichen Attacken des berühmten dichtenden Priesters und Politikers Ernesto Cardenal ausgesetzt. Der mittlerweile 86jährige Cardenal hatte in den frühen 1970ern selbst in Solentiname gewirkt, und wollte das „Mancarrón“ in seine Regie bekommen. Die juristische und mediale Schlacht ums Idyll schwappte bis in die Spalten des deutschen Spiegel. Rückhalt erhielten die Zergers von Einwohnern Solentinames, auch Comandante Tomás Borge, einer der letzten noch lebenden FSLN-Mitgründer, sprang ihnen bei. Der große Poet würde sein Prestige und seinen Einfluß mißbrauchen. Heilige sind auch in Nicaragua rar.

Dafür hat das größte Land Mittelamerikas viele Facetten zu bieten. Beinahe unberührte Natur, die wohl freundlichsten Menschen überhaupt, Tänze und Musik, anmutige Kolonialstädte, die Relikte der revolutionären Ära. Nicaraguas Aufbegehren stellte „für ganz Lateinamerika einen historischen Wendepunkt hin zur Demokratie dar“, so Zerger.

Mit seinem Reiseveranstalter Solentiname Tours wirkt Immanuel Zerger für nachhaltigen Tourismus nach Nicaragua, dem drittärmsten Land Lateinamerika, und in die angrenzenden Staaten. Für Partner gelten Standards beim schonenden Umgang mit Ressourcen, zur Behandlung der Angestellten und beim sozialen Engagement in der Gemeinde. „Unsere Rundreisen sind nichts für Zwei-Wochen-Strand-Touristen.“ Dafür kommt man Land und Leuten näher, gewinnt an interkultureller Kompetenz – und hinterlässt nur einen „leichten Fußabdruck“.

Hotel Mancarrón ­Solentiname: www.hotelmancarron.com

Solentiname Tours: www.solentinametours.com

Solentiname Tours auf der Internationalen Tourismusmesse Berlin (www.itb-berlin.de), ITB, 7.–11. März 2012: Halle 3.1, Stand 212c

Von Peter Steiniger. Quelle: Tageszeitung junge Welt, 29.02.2012, Nr. 51, Beilage: „anders reisen“. S.3, https://www.jungewelt.de/beilage/art/264773