Flammendes Inferno

Erst der Norden, jetzt auch der Süden. Die portugiesischen Feuerwehren wissen kaum noch, wo sie zuerst löschen sollen. Tausende „Bombeiros“ sind seit Tagen im Einsatz, um Hunderte Waldbrände zu löschen oder unter Kontrolle zu bekommen, welche die Vegetation auffressen, Landwirtschaft und Ortschaften bedrohen. Satellitenbilder zeigen gewaltige Rauchsäulen über dem Festland.

Über der nördlichen Großstadt Porto, zweitgrößte Portugals, verdunkelt der Qualm auch am Tag den Himmel. Am kritischsten ist die Lage im Bezirk Aveiro mit achtzehn Großfeuern, über tausend Brandbekämpfer sind allein hier im Einsatz. Die Einwohner mehrerer Dörfer wurden in Sicherheit gebracht, etliche Straßen sind unterbrochen, Züge müssen umgeleitet werden.

Von der Berglandschaft am Rio Douro bis hinunter ins Alentejo gilt nach wochenlanger Trockenheit fast in allen Distrikten und Kreisen im Binnenland Portugals die höchste Warnstufe. Mindestens 40.000 Hektar Wald fielen hier im August bereits den Flammen zum Opfer, fünfmal soviel wie im gesamten Juli. Auch das Nachbarland Spanien ist betroffen. Über Vigo, der zweitgrößten Stadt seiner nordwestlichen Provinz Galicien, lag am Donnerstag dichter Rauch, über den Wäldern warfen Löschflugzeuge ihre Wasserladungen ab. Auch dem Wallfahrtsort Santiago de Compostela kommt das Feuer immer näher. Dort betet man für Regen, doch auch für die kommenden Tage ist warmes Wetter ohne Niederschlag vorhergesagt. Brände loderten am selben Tag auch weiterhin in Südfrankreich nahe der Hafenstadt Marseille sowie auf den Kanaren.

Besonders hart hat der Katastrophensommer, in Portugals Geschichte einer der schlimmsten, die Atlantikinsel Madeira, eine autonome Region des Landes, getroffen. Zuvor hatten die Temperaturen hier Hitzerekorde geschlagen. Starker Wind facht die Feuer an und beschleunigt ihre Ausbreitung. Über die Hauptstadt Funchal verhängten die Behörden den Notstand. Nach Angaben der Behörden brannten dort 150 Häuser, zum Teil historische Gebäude, nieder. in einem Außenbezirk forderten die Flammen bereits am Dienstag abend drei Menschenleben, etwa 300 weitere Personen wurden verletzt.

Drei Feuer wüten derzeit großflächig auf dem Archipel vor der Küste Marokkos, dichter Rauch treibt von dort über das Meer. Tausende Bewohner mussten evakuiert werden, auch Krankenhäuser, Altenheime und Hotels wurden geräumt. Auch am Donnerstag waren die Brände hier nicht eingedämmt, obwohl Feuerwehr und Zivilschutz Verstärkung vom Festland und den Azoren eingeflogen hatten. Zum Teil versuchten Einwohner dort, das Feuer mit Hilfe von Gartenschläuchen vor ihren Häusern zu bekämpfen. Am Mittwoch besuchten Portugals Premier António Costa und Staatspräsident Marcelo Rebelo de Sousa Madeira, um sich ein Bild von der Lage zu machen und der Regionalbehörde Unterstützung anzubieten. Die Regierung bat auch die Europäische Union um Hilfe.

UnbenanntKommunisten (PCP) und Linksblock (BE), welche die Regierung des Sozialisten Costa im Parlament tolerieren, fordern Soforthilfen für die von den Waldbränden Geschädigten. Die BE-Abgeordnete Mariana Mortágua unterstrich am Donnerstag in Lissabon während einer Pressekonferenz, dass nicht allein der verschärfend wirkende Klimawechsel für das katastrophale Ausmaß der Zerstörungen verantwortlich gemacht werden könne. Sie machte auf das lange bekannte Problem mangelnder Vorbeugung und fehlender Mittel dafür aufmerksam. Alle Parteien erklärten ihre Solidarität mit der Bevölkerung der betroffenen Regionen und sprachen den Feuerwehrleuten und Zivilschützern Anerkennung für ihre Arbeit aus. Die PCP beklagte in einer Erklärung, dass neben unzähligen Bäumen auch „Jahrzehnte von Arbeit und Investitionen“ – Wohnhäuser, öffentliche Gebäude, Arbeitsstätten – im Feuer „binnen weniger Minuten verloren“ gingen.

Dieses Desaster hat viele Ursachen: Die Kommunisten weisen auf ausgebliebene Investitionen in den Bereich der Brandbekämpfung hin. Die Pflege und Bewirtschaftung der Wälder sei sträflich vernachlässigt worden. Als wichtigsten Grund sehen sie die Politik der konservativen Vorgängerregierungen, welche die Existenzen der kleinen und mittleren Produzenten in der Land- und Forstwirtschaft zerstört habe. Einschnitte bei Bildung und Gesundheit hätten zur Entvölkerung des Binnenlandes beigetragen. Nötig sei eine Abkehr von Monokulturen und eine Zurückdrängung der Eukalyptusplantagen. Die Baumart hat einheimische Gewächse verdrängt. Für die Feuer wirkt der Eukalyptus wie Zunder.

Von Peter Steiniger, erschienen in: junge Welt vom 12.08.2016, S.7, Link