Schaukel ins Paradies

Ganz in Weiß leuchtet das Schmuckstück mit zwei Bootsrümpfen. Mit anderen seiner Bauart wartet es gut vertäut an einem der Kais in der Marina Marlin von Cienfuegos auf die nächsten Gäste. Es gehört zur „neuesten Generation“. So war es vom Veranstalter angepriesen. Und Skipper Ramón und sein Smutje Carlos – die beiden bilden die Besatzung des „Dream Yacht“-Katamarans – können das bestätigen. Was nicht ausschließt, dass dieser nicht bereits ein paar der sieben Meere gesehen hat.

Nun also ist das flotte Schiffchen im Dauereinsatz als Devisenbeschaffer für Kubas seit 1959 permanente Revolution. Das Boot verfügt über sechs Zwei- bzw. Dreibettkabinen, jeweils mit Dusche und WC. Nicht mehr als 14 Passagiere finden insgesamt Platz. Den süßlichen Geruch, der einen an Bord empfängt, verströmt in der tropischen Wärme ein großer Früchtevorrat für die Küche.

Eine Woche wird die Reise dauern. Neben Passagieren aus Frankreich fahren auch welche aus Italien und Deutschland mit. Von der Provinzstadt an der Südwestküste der größten Antilleninsel, erst im 19. Jahrhundert groß geworden durch die Zuckerindustrie und ihren Hafen, schippern wir zum Canarreos-Archipel und zurück. Die langgestreckte Gruppe aus Hunderten Eilanden hat gerade noch Verbindung mit Kubas Festlandsockel. Das größte ist die Insel der Jugend. Wie weit uns Motor oder Segel tragen, bestimmt der Kapitän je nach Wind und anderen Wetterbedingungen. Am Steuer, als Barmann und beim Abwasch lösen der und sein kochender Stewart sich stets brüderlich ab. Die beiden kennen sich bereits von der Marine, erfahre ich.

Zunächst geht es durch die große Jagua-Bucht, die ein schmaler Zugang vom Meer trennt. In der Ferne sieht man die Ciudad Nuclear und die Kuppel des zu dieser Wohnsiedlung gehörenden, nie fertiggestellten Kernkraftwerks Juraguá. Letzteres ist ein beruhigender Gedanke. Dann wird es ungemütlich. Die erste Nacht fährt der Katamaran durch, legt mehr als 100 Meilen über die hohe See zurück. Den Begrüßungscocktail verdaut man am besten liegend. Auch später wird ob der Schaukelei niemand das Angebot der Open Bar über Gebühr nutzen. Mit der Morgensonne ist das Zielgebiet erreicht: das Karibische Meer. Über dem weißen Sand ist das Wasser nur wenige Meter tief, scheint zu leuchten. Das eigentliche Abenteuer kann beginnen.

Der Spaß schließt die Beschallung mit karibischen Rhythmen, Ausflüge an die Strände kleiner Trauminseln, Schnorcheln über Korallenriffen und den Abstecher zu einem von Leguanen beherrschten Eiland mit ein. Dazu eine für Kuba überraschend kreative Küche. In der landen auch während der Fahrt geangelte Barrakudas, der Blinker ist eine Eigenentwicklung des Kochs. Haie sind in der Nähe, doch Touristen stören sie beim Baden aus Prinzip nicht, wird mir treuherzig versichert. Die meisten bunten Fische sieht man übrigens nicht da draußen, sondern im Hafenbecken von Cayo Largo del Sur. Die Insel besitzt auch einen Flughafen. Die Kanadier, die Kuba als so etwas wie ihr Mallorca betrachten, machen es sich mal wieder einfach.

Ganz geschenkt ist das alles nicht. Normalsterbliche, die im reicheren Teil einer ungerechten Welt leben, müssen dafür ihr Sparschwein schlachten. Zum Glück fürs rote Kuba gibt es hier ja auch noch gutbetuchte Pensionäre. Doch ob arm oder reich, für alle heißt es antreten, wenn Ramón und Carlos Handtücher und Bettwäsche zum Wechseln austeilen.

Von Peter Steiniger. Erschienen in Alternatives Reisen, Beilage von junge Welt vom 12.12.2018, Link

 

Peter Steiniger ist Redakteur der Tages­zeitung junge Welt.

  • Essen: Schopska-Salat in Krapets Beach Bar beim bulgarischen Städtchen Schabla.
  • Trinken: Ein ehrliches Arbeiterbier mit Freunden im „Watt“ im Prenzlauer Berg in Berlin.
  • Lesen: Mit Carlos Ruiz Zafón den „Friedhof der vergessenen Bücher“ betreten und in Barcelonas Geheimnisse eintauchen.


Kuba auf der Interna­tionalen Tourismusbörse Berlin, 6. bis 10. März 2019: Halle 22. Infos: Cubanisches Fremdenverkehrsbüro, http://cubainfo.de