„Also, so wild ist das nicht“

Rowena F. (21) lebt in Düren. Die Umweltaktivistin ist eine von zwei Beschuldigten im laufenden Container-Prozeß vor dem Aachener Landgericht

Sie und weiterer Beteiligter wurden in erster Instanz wegen Entwendung abgelaufener Lebensmittel aus Müllcontainern eines REWE-Supermarkts in Düren (NRW) zu empfindlichen Geldbußen verurteilt. Was hat Sie dazu bewogen, beim zweiten Frischegrad zuzugreifen?

Ich finde es schlimm, wie viele Lebensmittel im Müll landen, obwohl auch hierzulande sehr viele Menschen nicht ausreichend Lebensmittel haben oder zwar genügend Kalorien bekommen, aber kaum Abwechslung und Nährstoffvielfalt. Da nicht zuzugreifen – das könnte ich einfach nicht. Es ist mir wichtig, nicht noch beizutragen zu diesem kapitalistischen Wirtschaften. Ich kauf einfach nicht gerne ein, es gibt sinnvollere Tätigkeiten. Gerade jetzt ist es mir wichtiger, mehr Zeit zu haben für politische Aktivitäten.

Haben Sie keine hygienischen Bedenken, solche aus dem Verzehr gezogenen Lebensmittel zu verbrauchen? Worauf ist beim „Einklaufen“ zu achten?

Es gibt natürlich auch Sachen, die ich nicht mehr essen würde. Die nehme ich dann eben nicht mit. Wenn sie gut aussehen und riechen, probiere ich sie. Und wenn sie dann auch noch gut schmecken … Außerdem: Die Sachen lagen ja in der Regel den Tag über noch im Regal, und landen dann am Abend im Container. Also, so wild ist das nicht.

Machen Leute wie Sie den „Tafeln“, die in Kooperation mit dem Handel Lebensmittel an Bedürftige abgeben, Konkurrenz? Wie beurteilen Sie solche Wohltätigkeiten?

Ich denke nicht, daß wir da eine Konkurrenz darstellen. Die Sachen, die im Container landen, wurden ja schon klar nicht der Tafel zugeordnet. Das ist auch in unserem Fall so, auch wenn REWE inzwischen etwas anderes behauptet. Die Sachen standen draußen, bei Regen. Ich finde es besser, wenn Eßbares bei der Tafel landet, als wenn es gar nicht weiterverwendet wird. Doch alternative Ansätze wie Food-Sharing sind mir wesentlich sympathischer. Wo es nicht Leute gibt, die einen karitativen Job annehmen, sondern sie sich selbst organisieren und Essen teilen.

An diesem Sonnabend haben Sie auf dem Aachener Marktplatz an einer „Kundgebung gegen Lebensmittelverschwendung“ mitgewirkt. Wie kam das „leckere Essen aus geretteten Lebensmitteln“ – bei den Aachenern an?

Die Aktion wurde von Leuten aus der friedensbewegten „Food Not Bombs“-Gruppe vorbereitet. Mitgewirkt haben Mitglieder verschiedener Umweltverbände und eben wir, die beiden Angeklagten. Einige Passanten, von gut betucht bis obdachlos, haben spontan beim Aufbau, bei der Infoarbeit, beim Essenverteilen oder beim Aufräumen mitgeholfen. Soweit ich das mitbekommen habe, hat sich niemand vor dem Essen geniert. Das, was wir da hatten, waren ganz offensichtlich noch gut. Auch viele länger haltbare Lebensmittel, die, warum auch immer, ein Haltbarkeitsdatum tragen und nur deshalb in der Tonne landeten. Insofern waren wir schon sehr überzeugend.

Auf wieviel Ablehnung stießen Sie bei der Gelegenheit mit Ihrer Form des Recyclings?

Das begegnet mir kaum. Ich kann mir aber schon gut vorstellen, daß Leute, die da große Skepsis haben, dann nicht herantreten, um sich zu informieren.

Erhalten Sie Unterstützung aus der kommunalen Politik?

An der Aktion beteiligte sich Horst Schnitzler, fraktionsloses Mitglied im Aachener Stadtrat. Zum Prozeß kamen auch Menschen, die in den Parteien sind – aber nicht in so einer Weise wie „Ich bin Die Linke“, was ich sympathisch fand.

REWE möchte mit dem Prozeß nicht zu sehr in Verbindung gebracht werden, und ließ verlauten, das Verfahren weder initiiert, noch Strafanzeige gestellt zu haben. Wie erklären sie sich da den behördlichen Verfolgungswillen?

Es muß einen Strafantrag des ­REWE-Marktleiters wegen Diebstahls und Hausfriedensbruchs geben. Sonst hätte ja der Staatsanwalt das öffentliche Interesse an einer Strafverfolgung erklären müssen. Was bemerkenswert gewesen wäre.

Wie stehen Ihre Chancen im Berufungsverfahren vor dem Aachener Landgericht?

Eine niedrigere Strafe für uns selbst ist nicht der einzige Zweck. Mittlerweile haben wir es geschafft, daß viele Leute etwas vom Prozeß und unserem Anliegen mitbekommen. Wie einerseits soviel Essen im Abfall landet, und andererseits Menschen, die sich das Essen aus dem Müll nehmen, mit Repression rechnen müssen.

Interview: Peter Steiniger. Erschienen in: junge Welt vom 24.06.2013, Nr.143, S.2, Link

Fortsetzung der Verhandlung am Aachener Landgericht am Dienstag, 25. Juni 2013, Raum A21, 10 Uhr. Bereits ab 9 Uhr findet vor dem Gericht eine Mahnwache mit „Containerfrühstück“ statt.