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Wirkliche Alternative

Wer und was folgt auf einen eventuellen Fall der angeschlagenen Mitte-rechts-Regierung? Auf ihrem XIX. Parteitag am vergangenen Wochenende in Almada bei Lissabon suchten die 1250 Delegierten der Kommunistischen Partei Portugals (PCP) nach Antworten auf die dramatische sozial-ökonomische Krise ihres Landes. Generalsekretär Jerónimo de Sousa, seit 2004 an der Spitze der Partei, der für vier weitere Jahre im Amt bestätigt wurde, bekräftigte die Bereitschaft der Kommunisten zu einem breiten gesellschaftlichen Dialog. Die Mitte-rechts-Koalition von Premier Pedro Passos Coelho habe in anderthalb Jahren ihre soziale Basis verspielt, sei zwar legal, aber nicht mehr „legitim“ im Amt. Ihre dem großen Kapital hörige Politik hätte das Leben von Millionen Portugiesen „in eine Hölle verwandelt“.

Eine „wirkliche linken Alternative“ sei für die PCP die Voraussetzung für eine politische Verständigung auch mit der größten Oppositionspartei, den Sozialisten (PS). Zugleich kritisierte er deren Mitverantwortung für das Memorandum mit der Troika und ihr Festhalten an „rechter Politik in zentralen Fragen.“ Die PS schließt einen Dialog über einen „veranwortungsvollen Politikwechsel“ nicht aus. Mit dem pluralen Linksblock schloß die PCP im Herbst bereits eine Übereinkunft zu gleichgerichteten parlamentarischen und außerparlamentarischen Initiativen gegen die Sparpolitik der liberal geführten Regierung.

Deren Kurs trifft massenhaft auf spontanen wie organisierten Widerstand, oft initiiert von der unter kommunistischem Einfluß stehenden größten Gewerkschaftszentrale, CGTP-Intersindical. Große Streiks und Demonstrationen richteten sich in den vergangenen Monaten gegen die im Gegenzug für Finanzhilfen von EU und Internationalem Währungsfonds verordnete bittere Medizin: Mit Kürzungen bei Investitionen, Löhnen, Renten und Sozialausgaben, bei gleichzeitiger Erhöhung von Steuern und Abgaben, sowie der eilig vorangetriebenen Privatisierung von Staatsbetrieben soll demnach das Haushaltsdefizit zurückgefahren und schließlich das „Vertrauen der Finanzmärkte“ wiedergewonnen werden. Doch trotz viel Lob aus Brüssel und Berlin für das Lissabonner Kabinett geht es mit dem Patienten weiter bergab. Die Wirtschaft schrumpft, die Arbeitslosigkeit eilt von Rekord zu Rekord, Hunderttausende rutschen in die Armut oder haben dem Land auf der Suche nach Perspektiven den Rücken gekehrt.

Die PCP setzt der herrschenden Politik Konzepte entgegen, welche die Ankurbelung der nationalen Produktion und die Schaffung von Arbeitsplätzen in den Mittelpunkt stellen. Gefordert wird eine Neuverhandlung der Staatsschulden, der Erhalt strategischer Sektoren in öffentlicher Hand, die Verteidigung des öffentlichen Dienstes und des Sozialstaates sowie die Rücknahme von Lohn- und Rentenkürzungen. Die 1921 gegründete Partei versteht sich als „patriotische und internationalistische“ Kraft, welche die Selbstbestimmung Portugals und die demokratischen und sozialen Errungenschaften der Nelkenrevolution von 1974 konsequent verteidigt. Dem leicht verkleinerten Zentralkomitee der Marxisten-Leninisten gehören 152 Mitglieder an, 26 davon wurden zum ersten Mal hineingewählt, nur ein Viertel sind Frauen. Mit dem früheren Metallarbeiter und Gewerkschafter de Sousa an der Spitze konnte sich die Partei in ihren klassischen Milieus konsolidieren und ihren Wähleranteil auf landesweit acht Prozent stabilisieren. Mehr Anstrengungen sollen für eine Verjüngung der 60000 Mitglieder zählenden Partei unternommen werden.

Anknüpfend an zentrale Aussagen des aktualisierten Parteiprogramms betonte der PCP-Fraktionsvorsitzende im Nationalparlament, Bernardino Soares, auf dem Kongreß, daß wirkliche Demokratie auch die ökonomische, soziale und kulturelle Sphäre umfassen müsse. Das Wechselspiel der letzten Jahrzehnte zwischen sozialistischer und konservativer Exekutive habe nur den Zweck gehabt zu garantieren, daß sich die Politik selbst nicht ändere. PCP-Wirtschaftsexperte Agostinho Lopes wies in Almada darauf hin, daß eine mögliche Linksregierung das Land auch auf ein Ausscheiden oder einen Ausschluß aus dem Euro vorbereiten müsse, ohne die Illusion, daß dies seine Probleme auf einen Schlag löse. Eine Regierungsbeteiligung als Selbstzweck soll es für die PCP auch künftig nicht geben. Niemand brauche zu verlangen, daß die PCP „aufhöre, das zu sein, was sie ist“, betonte ihr alter und neuer Generalsekretär.

Von Peter Steiniger. Quelle: Tageszeitung junge Welt, 05.12.2012, Nr. 283, S.6, Link

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