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Unfreiwillige Weihnachtsmänner des Tages: Kreisel

Die Zeiten, in denen wahre Sozialisten das Weihnachtsfest als christlichen Mummenschanz verpönten, sind – drei Kreuze – vorbei. Natürlich gab es gute Gründe, dem Aberglauben entgegenzutreten und der weltlichen Macht der Kirche Grenzen aufzuzeigen.

Manches Gotteshaus leistete als Getreidespeicher oder Pferdestall auch keinen schlechten Dienst an der Gemeinschaft. Trotz eigener Heiliger, Märtyrer, Hochfeste und Schriftausleger war beim Dissen der Schwarzkittel aber wohl auch Neid auf das zwei Jahrtausende alte Erfolgsmodell im Spiel. Gerade zu den Jubiläen der Geburt des Herrn griffen die Ersatzveranstaltungen nur mäßig. Heide und Christ öffneten sich den Klängen der Oratorien, lebten die Tradition des Gebens.

Der Sozialismus des 21. Jahrhunderts hat daraus gelernt. Die Glaubensfrage wird nicht mehr gretchenhaft gehandhabt. Es war auch Zeit für eine Teilfusion. War nicht Jesus ein Revolutionär und Fisch-Umverteiler? Und muss nicht der Himmel selbst Papst Franziskus als kommunistischen Agitator geschickt haben? In Lateinamerika hat man die Vorteile eines gemischten Angebots längst erkannt. Venezuelas verstorbener Präsident Hugo Chávez war als katholischer Sozialist auf seinem Kreuzzug gegen das Unrecht eine Messe. Und es ist auch seinem Nachfolger nicht gleichgültig, wenn hartherzige kapitalistische Geizkragen das Fest der Liebe zu schamloser Bereicherung missbrauchen. Gerade noch rechtzeitig schlug dort jetzt die Volksmacht zu. Die Nationale Aufsichtsbehörde für die sozioökonomischen Rechte (Sundde) beschlagnahmte 4 Millionen Spielsachen, die das Unternehmen Kreisel über Jahre gehortet haben soll, um die Preise hoch zu halten. Betrug an den Kindern der bolivarianischen Republik. Zwei Manager wurden verhaftet. Für die Armen gibt es nun Spielzeug en masse zum Sonderpreis. Viva Jesus!

Von Peter Steiniger, erschienen in: junge Welt vom 11.12.2016, S. 8, Link