Mehr als zwei Jahrzehnte nach der Rückkehr zur parlamentarischen Demokratie wurde am Samstag João Goulart, Präsident der Republik Brasilien von 1961 bis 1964, in einem festlichen Akt offiziell politisch rehabilitiert. Die Amnestie-Kommission des Ministeriums für Justiz folgte damit einem Gesuch von Goularts Witwe. Den Rahmen bildete eine Nationale Konferenz der brasilianischen Anwaltskammer in Natal, der Hauptstadt des nordöstlichen Bundesstaates Rio Grande do Norte, die auch den zwanzigsten Jahrestag der demokratischen Verfassung von 1988 würdigte.
Vor mehr als 5000 Juristen und Studierenden der Rechtswissenschaften verlas Justizminister Tarso Genro eine Erklärung des Präsidenten Luiz Inácio „Lula“ da Silva von der Arbeiterpartei (PT). Darin entschuldigt sich der brasilianische Staat für die illegale Amtsenthebung Goularts und spricht seiner Familie eine Entschädigung zu. Der Präsident würdigt Goulart als einen „großen Führer der Nation“, der wie nur wenige das Ideal eines gerechteren Brasiliens vertreten habe.
João Goulart, in Brasilien unter seinem Spitznamen „Jango“ bekannt, war 1961 zum Vizepräsidenten des Linkspopulisten Jânio Quadros gewählt worden. Nach dessen Rücktritt ein halbes Jahr später übernahm er gemäß der Verfassung gegen den Widerstand rechter Kreise das Präsidentenamt. Mit einem erfolgreichen Referendum über seine Vollmachten stärkte er seine Legitimität und nahm soziale Reformen in Angriff. Er suchte gute Beziehungen zum sozialistischen Kuba, verstaatlichte Ölunternehmen und förderte die Alphabetisierung. Die Kommunistische Partei wurde legalisiert. Besonders mit der Ankündigung einer Agrarreform und der Enteignung von Latifundisten brachte er die konservativen Eliten gegen seine Politik auf, die ihn als angeblichen Kommunisten brandmarkten.
Am 31. März 1964 wurde Goulart durch einen von den USA geförderten Militärputsch gestürzt. Todesschwadronen machten Jagd auf Regimegegner. Die „bleiernen Jahre“ währten bis 1985. Goulart emigrierte über Uruguay nach Argentinien. Hier starb er 1976 in der Stadt Mercedes im Alter von nur 58 Jahren unter bis heute nicht zweifelsfrei geklärten Umständen an einem Herzanfall. Indizien, darunter Aussagen urugayischer Geheimdienstler, nährten den Verdacht, daß der emigrierte Präsident im Rahmen der „Operation Condor“ liquidiert wurde. Unter diesem Codenamen wirkten in den 1970er und 80er Jahren Sicherheitsdienste aus Argentinien, Bolivien, Brasilien, Chile, Paraguay und Uruguay bei der Verfolgung und Ermordung linker Oppositioneller zusammen.
Die jetzt erfolgte postume Rehabilitierung Goularts bezeichnete Tarso Genro als einen „späten, aber absolut notwendigen Akt der Gerechtigkeit“. Genro will die Politik der Amnestierung und Entschädigung von Diktaturopfern fortzusetzen. Verantwortliche für Menschenrechtsverletzungen während der Diktatur sollten hingegen zur Verantwortung gezogen werden. Er wendet sich gegen Initiativen von Teilen der Opposition, die eine Gleichbehandlung dieser mit als „Terroristen“ abgestempelten früheren Guerilleros einfordern.
Von Peter Steiniger. Tageszeitung junge Welt, 17.11.2008, https://www.jungewelt.de/2008/11-17/012.php