In Brasilien stehen alle Zeichen auf Sturm. Geht es nach dem Tenor der Monopolmedien, ist der Fall der Regierung von Dilma Rousseff ausgemacht.
Am Sonntag liegt das Schicksal der Präsidentin in den Händen der Abgeordneten des Parlaments, die über ihre Amtsenthebung zu entscheiden haben. Auf den Straßen werden Millionen ihrer Gegner und Anhänger in einem Klima des Hasses aufeinandertreffen. Als Begründung für das „Impeachment“ sollen gängige Haushaltstricks herhalten. Tatsächlich handelt es sich um einen lange angebahnten politischen Putsch. Das größte Land Südamerikas soll auf Rechtskurs gebracht werden. Der Block progressiver Regierungen auf dem Kontinent wäre enorm geschwächt. Ob die für den Sturz von Dilma, wie sie nur genannt wird, nötige Zweidrittelmehrheit zustande kommt, ist ungewiss. Auch der Senat müsste noch zustimmen. Sicher ist nur, dass im Kongress viele schmutzige Hände haben. Die meisten der 25 hier vertretenen Parteien fungieren nur als austauschbare Label für, häufig korrupte, Politikkarrieristen. Auch nach 31 Jahren Demokratie steht diese auf schwachen Beinen, ziehen die alten Eliten viele Strippen.
Das Präsidialsystem und die starke Personalisierung der Politik kamen einst Lula da Silva entgegen, der mit seinem volkstümlichen Charisma und seiner Integrität den Gegenpol zu den Snobs aus den Oberschichten bildet. Eine Identifikationsfigur für fortschrittliche Bürgerliche, organisierte Arbeiter und Unterprivilegierte. Die von ihm gegründete Arbeiterpartei (PT) ist die größte linke Partei des Kontinents, sie bündelt ein breites Spektrum an Strömungen. Seit 2003, als die Partei des früheren Metallarbeiterführers an die Macht kam, hat sie sich kräftig verbogen, ging fragwürdige Allianzen ein. Zum Teil eine Folge der Kräfteverhältnisse. Die Drohkulisse der Reaktion und ihrer Medienlobby war stets präsent. Dennoch gelangen soziale Reformen, die für das Land revolutionär sind. Außenpolitisch emanzipierte sich Brasilien von den USA.
Die Konterrevolution trägt Nationalfarben. Ausgerechnet in den Trikots der Seleção wird gegen „die Korruption“ demonstriert – darin ist der Fußballverband CBF Rekordweltmeister. Auch die Baumafia, die Preiskartelle bildete und die Politik breit sponserte, ist wie üblich hier vorn mit dabei. Ebenso der Ölkonzern Petrobras, den die NSA so intensiv ausspionierte. Hat die Rechte kassiert, waren es Spenden. Geht es um die PT, gilt schuldig bei Verdacht. Mit offenen Rechtsbrüchen und Verleumdungen werden Dilma und Lula bekämpft. Die Globo-Medien trommeln für das „Impeachment“ und werden bis zum Sonntag sicher noch ein paar Kaninchen aus dem Zylinder ziehen. Gleiches gilt für rechte Seilschaften in der Justiz, die die Regierung massiv sabotieren. Der Widerstand gegen den Staatsstreich organisiert sich, zeigt überall im Land Flagge. Die Linke ruft zum Kampf. Lula, eine große, weltweit respektierte Figur der Zeitgeschichte, ist zurück auf der Bühne. Er kommt spät. Doch er könnte sie erneut rocken.
Von Peter Steiniger, erschienen in: junge Welt vom 15.04.2016, S. 8, Link