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Putsch liegt voll im Plan

Die Absetzung der gewählten Präsidentin Brasiliens von der Arbeiterpartei (PT) durch das von der Rechten dominierte Parlament scheint nur noch eine Formsache zu sein und eine Frage von Tagen. Nach einer Marathonsitzung stimmte eine klare Mehrheit der Mitglieder des Senats in Brasília für die Einleitung des Hauptverfahrens gegen Dilma Rousseff, die bereits seit dem 12. Mai suspendiert ist.

Unter Leitung des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes, Ricardo Lewandowski, stimmten 59 Senatoren für ein Impeachment, nur 21 hielten dagegen. Damit wurde in etwa die Marge erreicht, welche die Interimsregierung von Michel Temer, ein Kabinett ausschließlich weißer reicher Männer, als Ziel ausgegeben hatte.

In einer aufwendigen Beweisaufnahme war Rousseff zwar in bezug auf die ihr angelasteten Manipulationen bei Haushaltszahlen entlastet worden. Es handelte sich dabei um in Brasilien auf allen Ebenen gängige, nichtkriminelle Praktiken. Der Vorwurf dient ohnehin nur als Krücke zur Konstruktion eines Staatsverbrechens, wie es die brasilianische Verfassung zur Vorbedingung für die Absetzung eines Staatschefs im Präsidialsystem macht. Anders als ein Großteil der Parlamentarier, die über sie zu richten haben, hat Rousseff eine saubere Weste. Korruption oder andere Verbrechen ließen sich ihr nicht anhexen. Die Farce um die angeblichen Haushaltstricks bemäntelt einen politischen Putsch der traditionellen Eliten, der das Ergebnis der Wahlen vom Oktober 2014 ausradiert und von Anfang an unter dem propagandistischen Geleitschutz der Leitmedien, insbesondere des Globo-Konzerns, stand.

Faule Kompromisse und taktische Fehler der Rousseff-Regierung, verspieltes moralisches Prestige der Arbeiterpartei und eine schwierige Wirtschaftslage schürten allgemeine Unzufriedenheit und brachten die Linke immer weiter in die Defensive. Ermöglicht und aktiv unterstützt wird der verdeckte Staatsstreich von mächtigen Kreisen in Justiz, Wirtschaft und Militär. Die letzte Hürde soll er Ende August nehmen. Für eine finale Amtsenthebung der Präsidentin ist dann im Senat eine Zweidrittelmehrheit nötig. Das könnte ein Spaziergang werden.

Anders sieht es auf den Straßen aus, wo es weiterhin massenhaft zu Protesten gegen Rousseffs übergelaufenen bisherigen Vize kommt, der, wie es die Nachrichtenagentur SID ausdrückt, „bei der Bevölkerung so beliebt wie, nun ja, wie eine Infektion mit dem Zika-Virus“ ist. Dabei sind die neuen Enthüllungen über Schmiergelder an Temer und Außenminister José Serra dank Olympia nicht einmal in den vorderen Schlagzeilen. „Fora Temer!“ (Weg mit Temer) hieß es zeitgleich zur Senatssitzung bei Demonstrationen in mehreren Städten, unter anderem in Recife und São Paulo. Ginge es nach ihm, könnten sie mit US-Hilfe rechnen: Senator Bernie Sanders aus Vermont, der im Vorwahlkampf der Demokraten Furore machte, erklärte, dass die USA zu den Vorgängen in Brasilien nicht schweigen dürften. Temer spricht er jede Legitimität ab.

Druck machen auch die wichtigsten Gewerkschaften: Erstmals seit drei Jahrzehnten wollen sie wieder Kurs auf einen Generalstreik nehmen.

Von Peter Steiniger, erschienen in: junge Welt vom 11.08.2016, S.2, Link. Weitere Veröffentlichung: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek, Link

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