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Schweden und Finnland parieren

Erdogan stempelt die Nato-Tickets für Schweden und Finnland: Während die Welt am Rande des 3. Weltkriegs balanciert, sind die beiden nordischen Länder nun für den Ernstfall fest gebucht. Dafür, dass Ankara seine Drohung mit einem Veto gegen ihren Nato-Beitritt fallenlässt, zahlen Stockholm und Helsinki Lösegeld in voller Höhe.

War die Bereitschaft der beiden sozialdemokratischen Regierungen zur Aufgabe der Bündnisfreiheit bereits ein militärischer Konfrontationslogik folgender scharfer Kurswechsel, so ist das Eingehen auf Erdoğans Forderungen ein glatter Verrat an den eigenen außenpolitischen Prinzipien. Vor allem für die Regierung von Magdalena Andersson kann das noch zum Bumerang werden.

Dass der Kreml diese weitere Ausdehnung der Nato mit einer neuen langen direkten Grenze zu Russland bei der Entscheidung zum Angriff auf die Ukraine bereits politisch mit einkalkuliert hatte, ist keineswegs sicher – was eher beunruhigen sollte. Schließlich spricht vieles dafür, dass die russische Führung auch bei ihrer Invasion ins Nachbarland von Illusionen und Fehleinschätzungen ausgegangen ist. Aus dem geplanten Einmarsch und Regimechange binnen Tagen wurde ein großer verlustreicher Landkrieg mit massiver (noch) indirekter Beteiligung des Westens.

Die Türkei macht in der neuen Wertegemeinschaft gleich mal die Probe aufs Exempel und fordert von Schweden die Auslieferung von 33 Verdächtigen an ihre Folterknechte. Dabei handelt es sich um angebliche Mitglieder der kurdischen PKK sowie Anhänger von Erdoğans altem Gegenspieler Trot… ähm Gülen.

Insgesamt umfasst die Vereinbarung, die die Unterschriften des türkischen Außenministers Mevlüt Cavusoğlu (ein Sympathisant der faschistischen Grauen Wölfe), seines finnischen Amtskollegen Pekka Haavisto und von Schwedens Chefdiplomatin Anna Linde trägt, zehn Punkte. Unter anderem verpflichten sich die beiden Länder, die Kurden in Syrien nicht zu unterstützen, die PKK als Terrororganisation zu behandeln und zur Zusammenarbeit ihrer Geheimdienste. Auslieferungsbegehren sollen unter Berücksichtigung der türkischen Erkenntnisse „sorgfältig und gründlich“ geprüft werden. Schweden und Finnland sichern zu, dass es von ihrer Seite keine Beschränkungen mehr für Waffenexporte an die Türkei gibt.

In Schweden denkt nun die aus dem Iran stammende unabhängige linke Abgeordnete Amineh Kakabaveh darüber nach, Stimmen für ein Misstrauensvotum gegen Außenministerin Linde zu sammeln. Anfang Juni hatte sie der Regierung, die ihr Zusicherungen in der Kurdenfrage gemacht hatte, im Reichstag bei einer Vertrauensfrage noch den Hals gerettet. Nun erkennt Kakabaveh, dass sie für dumm verkauft wurde. Mit Blick auf den Ausgang der Verhandlungen mit der „islamistischen Diktatur“ von Erdoğan spricht sie von einem „schwarzen Tag in der politischen Geschichte Schwedens“. Der Deal beschädige das Ansehen des Landes in der Welt.

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