Ein spannender Wahlabend, der mal die eine, mal die andere Seite vorn sah: Letztlich sicherte sich am Sonntag Schwedens bürgerliche Opposition die Mehrheit im Reichstag mit knappem Vorsprung. Die Mitte-Rechts-Allianz aus vier Parteien konnte insgesamt 48,1 Prozent der Wählerstimmen – gegenüber insgesamt 47,2 der drei linken und grünen Parteien – für sich verbuchen und stellt künftig 178 von 349 Abgeordneten.
Der konservative Fredrik Reinfeldt von der Moderaten Sammlungspartei löst damit den Sozialdemokraten Göran Persson als Ministerpräsidenten ab. Persson, dessen Arbeiterpartei (SAP) 35,2 Prozent erreichte und mit 130 Abgeordneten (vorher 144) weiterhin die mit Abstand stärkste Fraktion im Reichstag stellt, kündigte seinen Rückzug als Parteivorsitzender auf dem für März 2007 geplanten Sonderparteitag an. Zugleich versprach er den Konservativen eine „harte Opposition“.
Erst zum dritten Mal innerhalb von über 70 Jahren gelang es den Bürgerlichen, gegen eine sozialdemokratische Regierung zu gewinnen. Mit der „Allianz für Schweden“ hatten sie eine gemeinsame Wahlplattform gebildet. Diese warb mit ihrem Spitzenkandidaten Reinfeldt mit einer als „neu“ und „unverbraucht“ präsentierten Führungsmannschaft für Schweden und griff offensiv die brisante die Arbeitsmarktproblematik auf. Privatisierung, Kürzung von Unterstützungszahlungen und Steuersenkungen seien Methoden zur Senkung der hohen, meist verdeckten Arbeitslosigkeit. Den „Moderaten“ gelang es, sich um – für schwedische Verhältnisse sensationelle – elf Prozent zu verbessern und damit ihre Führungsrolle in der „Allianz“ zu festigen. Sie profitierten auch von einer Umverteilung im eigenen Lager. Neben den wertkonservativen Christdemokraten mußte auch die liberale Volkspartei Stimmeneinbußen hinnehmen. Die Liberalen büßten zwanzig Reichstagsmandate ein.
Die schwedische Linkspartei mußte eine Niederlage einstecken. Sie verlor fast ein Drittel ihrer Wählerstimmen. Mit 5,8 Prozent verfügt sie nun über 22 Mandate (vorher 30). Durch die Medien eifrig befördert hatten parteiinterne Auseinandersetzungen verschiedener Strömungen um den Kurs und das politische Selbstverständnis für ein öffentliches Bild der Zerstrittenheit gesorgt. „Reformer“ wurden gegen „Traditionalisten“ gestellt. Der neue Parteichef, Lars Ohly, geriet wegen seines Bekenntnisses, sich weiterhin als Kommunist zu verstehen, unter Druck und wurde an den Pranger gestellt. Die Linkspartei verlor zudem Stimmen an ihre Exvorsitzende Gudrun Schyman, die mit ihrer „Feministischen Initiative“ etwa ein Prozent erhielt, allerdings eindeutig die Vier-Prozent-Hürde verfehlte. Die Grünen, die bisher die SAP-Regierung ebenfalls stützen, gewannen mit 19 Sitzen (vorher 17) leicht hinzu.
Eine Hauptschuld für die SAP-Niederlage wird Premier Göran Persson gegeben. Dieser schien nach zehn Jahren als Regierungschef amtsmüde. Sein einsamer Führungsstil bildeten zudem einen immer deutlicher werdenden Kontrast zur schwedischen Konsenskultur.
Von Peter Steiniger. Quelle: https://www.jungewelt.de/2006/09-19/059.php