Regeln sind Regeln, meint der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU). Staaten der ökonomischen Peripherie des EU-Verbundes bilden für ihn keine Ausnahme.
Für Sanktionen gegen Spanien und Portugal, beide krisengebeutelt, spricht sich Oettinger aus, da sie Haushaltsverpflichtungen, „die sie sich selbst auferlegt hatten“ – selbst ist hier relativ –, nicht eingehalten hätten. Zur Bewahrung ihrer „Glaubwürdigkeit“ müsse die Kommission Sanktionen beschließen. „Alles andere kann man den Menschen nicht erklären“, erklärte der Kommissar den Lesern von Springers Bild.
Weniger gut kommt solche Prinzipienreiterei bei den Menschen in Portugal und Spanien an, deren Regierungen sich unter EU-Kuratel begeben hatten. Gemeinsam mit der sogenannten Troika setzten diese rigide Sparprogramme durch. Bei den Wahlen 2015 stürzten darüber in Portugal die Konservativen, welche trotz Rotstiftpolitik die Haushaltsziele verfehlten. Nachdem Ende Juni in Spanien erneut gewählt wurde, ohne dass die Bürgerlichen ihre verlorene Mehrheit zurückgewannen, lebt das Thema Sanktionen in Brüssel wieder auf. Im Mai hatte die Kommission noch entschieden, beiden Ländern ein Jahr Gnadenfrist beim Defizitabbau einzuräumen. Insbesondere aus Berlin kommt jedoch Druck, einen härteren Kurs zu fahren. Eine solche Disziplinierung hätte ihren Preis: Die Strafen könnten in ihrer Höhe bis zu 0,2 Prozent des jeweiligen Bruttoinlandsprodukts entsprechen. Sie wäre ein Griff in leere Kassen. Zudem droht ein zeitweiliger Ausschluss von der Mittelvergabe der Europäischen Strukturfonds. Das würde die Rezession neuerlich verschärfen.
Für die von links tolerierte Minderheitsregierung des Sozialisten António Costa in Lissabon, die eine Abkehr von der Austerität und die Beseitigung von sozialen Troika-Kollateralschäden versucht, wäre das eine schwere Hypothek. Am Montag sandte Costa einen Brief an EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Darin warnt er vor den Folgen solcher Maßnahmen, die „schwere Konsequenzen“ für die Zukunft Portugals nach sich zögen und dessen Kreditfähigkeit unterminierten. Der portugiesischen Öffentlichkeit versicherte der Premier, dass sich seine Regierung „bis zur letzten Minute“ gegen Sanktionen einsetzen werde.
Von Peter Steiniger, erschienen in: junge Welt vom 05.07.2016, S.2, Link