Die landesweiten Kommunalwahlen am Sonntag in Portugal haben für die liberalkonservative PSD (Partido Social-Democrata) von Ministerpräsident Pedro Passos Coelho ein desaströses Ergebnis gebracht.
Sie blieb mit 26,5 Prozent klar hinter den oppositionellen Sozialisten (PS) zurück, die künftig fast die Hälfte aller Kommunen führen. Die PS konnte Rathäuser hinzugewinnen, obwohl sie mit 36,3 Prozent etwas schwächer abschnitt als beim letzten Urnengang zu den Gemeindevertretungen 2009. Bei den Parlamentswahlen 2011 waren die Sozialisten auf 28 Prozent abgestürzt; nun sehen sie sich wieder im Aufwind. In der Hauptstadt Lissabon erzielte die PS die absolute Mehrheit der Mandate.
Weitere Gewinner waren parteiunabhängige Listen und die Kommunisten (PCP) mit ihrem Wahlbündnis CDU. Der Linksblock (BE) hingegen blieb mit nur 2,4 Prozent kommunalpolitisch schwach. Die PSD stellt künftig nur noch in fünf von 24 Großstädten mit mehr als 100000 Einwohnern den Bürgermeister. Räumen müssen ihre Sessel die PSD-Stadtoberhäupter in den Distrikthauptstädten Vila Real, Coimbra, Portalegre und Faro. In der nordportugiesischen Metropole Porto ließ der unabhängige Kandidat Rui Moreira die Bewerber von PS und PSD hinter sich. Unterstützt wurde der Unternehmer vom kleineren PSD-Koalitionspartner, der rechtskonservativen CDS. Die Partei von Vizepremier Paulo Portas steigerte ihren Stimmenanteil landesweit auf 5,5 Prozent. Vorhandene Risse im Regierungslager dürften nicht kleiner werden. Zusammengenommen konnten die beiden Koalitionsparteien nur weniger als ein Drittel der Stimmen auf sich vereinen.
Zurückzuführen ist das Abschneiden der PSD in erster Linie auf ihre strikte Sparpolitik mit harten Einschnitten in die Sozialsysteme. Der Austeritätskurs folgt den Auflagen der Troika, der Geldgeber IWF, EU und Europäische Zentralbank. Er belastet die Wirtschaft und treibt die Arbeitslosenzahlen nach oben. Medienberichte kurz vor der Wahl, nach denen das Land bald eine zweite große Finanzspritze benötige, kamen für die Regierung Passos Coelho mehr als ungelegen und wurden umgehend dementiert.
Auf der Insel Madeira fuhr die PSD ihr schlechtestes Wahlergebnis seit 1976 ein. Sie muß dort sieben von elf Rathaussesseln räumen. Der Präsident der Regionalregierung und PSD-Chef der autonomen Region, Alberto João Jardim, sieht darin eine Abstrafung „auf Grund der nationalen Politik“. Zugleich gäbe es „starke Strömungen“ innerhalb der madeirensischen Organisation, welche die PSD „von innen“ zu zerstören suchten. Die Opposition kann nun auf ein absehbares Ende des hier seit Jahrzehnten herrschenden, von Klientelismus geprägten „Systems Jardim“ hoffen.
Einen bemerkenswerten Erfolg können die Kommunisten verbuchen. Ihre Wahlkoalition CDU mit der kleinen ökologischen Partei und unabhängigen Linken legte gegenüber 2009 von 9,9 auf elf Prozent zu. Hochburgen wie Setúbal wurden gehalten, andere von der PS zurückgewonnen. Rot regiert werden die Bezirkshauptstädte Beja und Évora, die Großkommune Loures, Alcacer do Sal und Silves. Ein symbolträchtiger Erfolg gelang mit der Rückkehr auf den Bürgermeistersitz des alentejanischen Grândola, einem Symbol der Nelkenrevolution von 1974. Die PCP wertet ihr Abschneiden als „bedeutenden Sieg“, der „Perspektiven für eine alternative Politik“ öffne.
Etwa 9,5 Millionen Wahlberechtigte waren zur Stimmabgabe aufgefordert. Nicht alle konnten, viele wollten dem Ruf an die Urnen nicht folgen. Mit 52,6 Prozent erreichte die Wahlbeteiligung einen neuen Tiefstand. Die magere Beteiligung ist zum einen Ausdruck der Abwendung vieler Portugiesen von der etablierten Politik. Fast sieben Prozent ungültige Stimmabgaben oder Wahlzettel ohne Votum unterstreichen dies zusätzlich. Eine weitere Rolle spielt die Auswanderung aus wirtschaftlichen Gründen. Allein im vergangenen Jahr kehrten 120000 Portugiesen ihrem Land den Rücken. Die tatsächliche Wahlenthaltung liegt unterhalb der offiziellen Zahl, da in den Wahlregistern hunderttausende Wegzügler oder längst Verstorbene, sogenannte „Geisterwähler“, weiter geführt werden.
Ministerpräsident Pedro Passos Coelho räumte die schwere Niederlage seiner Partei ein. Zugleich schloß er Konsequenzen für sein Amt aus und kündigte die Fortsetzung seines politischen Kurses an. Rückendeckung erhält er dabei auch weiterhin von Staatspräsident Aníbal Cavaco Silva, der dem Lager der PSD angehört.
Von Peter Steiniger. Unter dem Titel „Regierungspartei verliert an Boden“ erschienen in: junge Welt vom 01.10.2013, Nr. 228, S.6, Link