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Sünder nicht bußfertig

Ein Ende der Schonzeit droht. Bisher hat sich die Europäische Kommission gegenüber den Defizitsündern Portugal und Spanien zurückgehalten. Nachdem die Wahlen im größten iberischen Land gelaufen sind und eine Mehrheit der wahlberechtigten Briten für den Brexit stimmte, könnte sich das aber rasch ändern.

Nach Medienberichten bereitet man in Brüssel bereits Anträge vor, Portugal und Spanien wegen Nichteinhaltung ihrer Haushaltsvorgaben im Jahr 2015 mit hohen Bußgeldern zu belegen. Noch im Mai hatte ein solcher Schritt der EU als politisch und wirtschaftlich nicht opportun gegolten. Doch nun wird neu abgewogen. Die Strafen könnten in ihrer Höhe bis zu 0,2 Prozent des jeweiligen Bruttoinlandsprodukts entsprechen. Ebenso hart wie ein solcher Griff in die leeren Kassen des Staates wäre für die weiter lahmende portugiesische Wirtschaft ein zeitweiliger Ausschluss von der Mittelvergabe der Europäischen Strukturfonds. Parteiübergreifend stoßen solche Sanktionen am Tejo auf Ablehnung. Die rechte Opposition, erst im vergangenen Oktober abgewählt, weiß, dass es ihr Erbe ist, das hier den Portugiesen auf die Füße fallen könnte. Auch der am 9. März ins Amt gekommene neue Staatspräsident, der smarte Konservative Marcelo Rebelo de Sousa, versucht, in Brüssel und Berlin gut Wetter zu machen. Seine und die Bemühungen der Regierung des Premiers António Costa vom Partido Socialista (PS) greifen hier bestens ineinander.

Diese Harmonie störte nun Catarina Martins, die Vorsitzende des Linksblocks BE (Bloco de Esquerda), gründlich. Sie brachte ein bisschen Leben in Portugals politische Bude. Es sei Brüssel nicht erlaubt, „zu zerstören, was wir aufbauen wollen“. Gäbe es Sanktionen von seiten der EU, würde das höhere Steuern nötig machen und wäre eine „Kriegserklärung“, äußerte Martins in ihrer Rede zum Abschluss des 10. BE-Parteitages am vergangenen Wochenende in Lissabon. Die Regierung forderte sie auf, einer solchen Erpressung entschieden entgegenzutreten. Die Antwort Portugals könne nur eine Zurückweisung der Sanktionen und die Ankündigung eines Referendums sein, um das Volk dagegen Position beziehen zu lassen. Unmittelbar nach dem Brexit-Votum hatte Martins damit das wirksamste Reizwort in die Runde gestreut. Der Linksblock ist neben der Kommunistischen Partei (PCP) und den mit dieser verbandelten Grünen (PEV) eine der parlamentarischen Stützen der Minderheitsregierung von António Costa. Dessen PS ist EU-freundlich eingestellt, der BE möchte sie neu erfinden, und die Kommunisten lehnen einen „Prozess der kapitalistischen Integration“ von Grund auf ab.

Die portugiesische Regierung ließ rasch erklären, dass dies „nicht die Zeit für Referenden“ wäre, auch wenn sie die „Besorgnisse“ des Linksblocks in bezug auf die Europäische Union teile, hieß es diplomatisch. Man verteidige ein Europa, das fähig sei, Antworten auf die Probleme der Völker zu finden. Die PCP dagegen wirbt dafür, das Land auf einen Austritt aus der Euro-Zone vorzubereiten. Ein solches Referendum sieht sie nicht als Priorität, obwohl man Portugal „die verlorene Souveränität“ zurückgeben möchte. Präsident Rebelo de Sousa lehnt die Idee ohnehin ab. Portugal fühle sich wohl in der EU und wolle darin bleiben. Mit ihrem Vorstoß konnte Martins zumindest auch auf Forderungen nach höheren Renten und Sozialleistungen aufmerksam machen, die der BE im nächsten Haushalt berücksichtigt sehen möchte. Doch die EU könnte einen Strich durch diese Rechnung machen.

Von Peter Steiniger, erschienen in: junge Welt vom 29.06.2016, S.6, Link

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