Brasilien erlebt ein politisches Beben: Bei den Präsidentschaftswahlen am Sonntag hat der Kandidat der extremen Rechten, Jair Bolsonaro, mit 46 Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen mit Abstand die meisten erhalten. Der frühere Hauptmann und langjährige Kongressabgeordnete für Rio de Janeiro vertritt die Koalition „Brasilien über alles und Gott über alle“ zweier erzkonservativer Kleinparteien. Am 28. Oktober kommt es nun zu einer Stichwahl zwischen Bolsonaro und dem Zweitplazierten, Fernando Haddad von der linksgerichteten Arbeiterpartei PT. Der frühere Bürgermeister von São Paulo kam auf 29,3 Prozent. Er war erst knapp vier Wochen vor der Wahl offiziell zum Kandidaten erklärt worden, nachdem die Justiz einen Antritt des früheren Präsidenten Lula da Silva untersagt hatte. Lula sitzt nach einem politisch gefärbten Urteil wegen angeblicher Korruption seit Anfang April im Gefängnis. Anders als bei vorausgegangenen Wahlen musste sich Ersatzmann Haddad auf eine PT-geführte Wahlkampfallianz ohne Partner außerhalb des linken Lagers stützen. Vor allem dessen Bastionen im Norden und Nordosten Brasiliens des Landes erwiesen sich als resistent, was einen Durchmarsch Bolsonaros verhinderte. In Ceará, Bahia und Piauí konnten die PT-Gouverneure zudem ihre Ämter auf Anhieb verteidigen.

Für einen Hoffnungsschimmer auf der Linken vor dem Duell mit Bolsonaro sorgt das Abschneiden des Kandidaten der PDT, Ciro Gomes. Mit 12,5 Prozent kam Lulas früherer Integrationsminister auf den dritten Platz, in seinem Heimatstaat Ceará erhielt er sogar 41 Prozent. Unmittelbar nach der Wahl signalisierte Gomes, der im Wahlkampf noch mit Spitzen gegen Haddad bei konservativen Wählern zu punkten versucht hatte, die Bereitschaft zu einer gemeinsamen Plattform gegen Bolsonaro. Die Geschichte seines Lebens sei eine „der Verteidigung der Demokratie und des Kampfes gegen den Faschismus“, erklärte er.
Bolsonaro hatte vor der Wahl erklärt, nur seinen Sieg als ein korrektes Ergebnis anzuerkennen und einen Umsturz des politischen Systems anzustreben. Er verteidigt seit langem offen Diktatur und Folter, möchte die Waffengesetze liberalisieren, rassistische, frauenfeindliche und homophobe Äußerungen sind sein Markenzeichen. Zugleich tritt er als Stimme der „rechtschaffenden Bürger“ und starker Mann auf, der mit dem Verbrechen aufräumen will. In seine Regierung möchte Bolsonaro das Militär holen. Seine Botschaften wurden in erster Linie mit aggressiven Internetkampagnen verbreitet. Ein Attentat Anfang September bescherte ihm mediale Aufmerksamkeit, dessen Folgen ersparten Bolsonaro zudem eine Teilnahme an inhaltlichen Debatten mit der politischen Konkurrenz. In den Tagen vor der Wahl erhielt er massive Unterstützung evangelikaler Kirchenführer. Für den Präsidentschaftskandidaten der großbürgerlichen PSDB, Geraldo Alckmin, brachte die Wahl ein 4,8-Prozent-Fiasko. Henrique Meirelles, den Aspiranten vom MDB des aktuellen Staatschefs Michel Temer, marginalisierten die Wähler mit nur 1,2 Prozent.
Von Peter Steiniger. Erschienen in junge Welt, Ausgabe vom 09.10.2018, Seite 2, Link