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Prüfstein für Troika-Parteien

Lautsprecherwagen auf den Straßen und Wahlkampfteams, die von Tür zu Tür gehen, sind derzeit überall in Portugals Städten und Dörfern zu sehen. Sie werben um Stimmen zu den landesweiten Kommunalwahlen am kommenden Sonntag, bei denen auf dem Festland sowie in den Autonomen Regionen Madeira und Azoren die Bürgermeister und Gemeindevertretungen neu bestimmt werden.

Vor vier Jahren waren bei den Autárquicas 41 Prozent der Wahlberechtigten den Abstimmungen ferngeblieben. Die konservativ-liberale PSD (Partido Social Democrata) von Ministerpräsident Pedro Passos Coelho, die ihre Hochburgen im Norden des Landes hat, konnte sich damals knapp vor den Sozialisten (PS) als stärkste kommunalpolitische Kraft behaupten. Die Wahl stellt für das Regierungsbündnis aus PSD und ihrem kleineren Koalitionspartner CDS-PP eine heikle Prüfung dar. Das Mitte-rechts-Kabinett und steht unter dem Druck starker Proteste gegen den praktizierten Kurs mit Kürzungen bei Löhnen, Renten und Sozialleistungen, mit Steuererhöhungen und Privatisierungen. So sollen die Auflagen der Troika – der Geldgeber Internationaler Währungsfonds, EU und Europäische Zentralbank – erfüllt und das Haushaltsdefizit gedrückt werden. Die Arbeitslosigkeit hat mit mehr als 16 Prozent Rekordniveau erreicht, die Wirtschaft leidet. Hunderttausende, vor allem Jüngere und besser Qualifizierte, haben ihrer Heimat auf der Suche nach besseren Perspektiven den Rücken gekehrt. Mit besonderer Spannung wird der Ausgang des Duells zwischen Sozialisten und PSD in der Hauptstadt Lissabon und der nordportugiesischen Metropole Porto erwartet. Unabhängige Listen machen den etablierten Parteien vielerorts Konkurrenz.

PCP-Generalsekretär Jerónimo de Sousa (m.) während einer Pressekonferenz auf der „Festa do Avante!“

Gegen das Wechselspiel der beiden größten Parteien und politische Resignation möchte das KP-geführte Wahlbündnis CDU (Coligação Democrática Unitária) Front machen. Die heiße Phase des Wahlkampfs war am ersten Septemberwochenende mit dem traditionellen Presse- und Volksfest „Festa do Avante!“ auf der Quinta de Atalaia bei Lissabon eingeleitet worden, zu dem Hunderttausende Besucher geströmt waren. Der Zusammenschluß CDU tritt mit der größten der Zahl an Kandidaten seit 1989 an. Neben Vertretern der Grünen Partei sind auf den CDU-Listen auch 12000 unabhängige Bewerber vertreten, das entspricht 35 Prozent aller ihrer Kandidaten. Mit einem Frauenanteil von 38 Prozent liegt die Wahlvereinigung unter allen Listen an der Spitze. Die CDU hofft im Landesdurchschnitt auf ein klar zweistelliges Ergebnis und möchte zu den bisher 38 von ihr geführten weitere Kommunen hinzugewinnen. Ihre Hochburgen sind der industrielle Distrikt von Setúbal und die südlichen Regionen Beja und Évora. Um das Land aus der Krise zu führen, fordern die Kommunisten eine „patriotische und linke Regierung“. Den Sozialisten (PS), die das „Memorandum“ mit der Troika mit aushandelten, werfen sie vor, nicht konsequent vorgezogene Neuwahlen anzustreben. KP-Generalsekretär Jerónimo de Sousa sieht in den Kommunalwahlen eine „erste Voraussetzung“ für die baldige Ablösung der aktuellen Regierung. Notwendig sei ein echter Wechsel der Politik, nicht deren Weiterführung unter PS-Vorzeichen.

Von Peter Steiniger. Erschienen in: junge Welt vom 23.09.2013, Nr. 221, S.6, Link

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