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Pressefreiheit auf dänisch

Einen Beitrag der besonderen Art leistete Dänemarks Chefankläger, Reichsanwalt Karsten Hjorth, noch rechtzeitig zum Internationalen Tag der Pressefreiheit am 3. Mai. Bereits am vergangenen Donnerstag erhob er Anklage gegen zwei Reporter der bürgerlichen Berlingske Tidende. Michael Bjerre und Jesper Larsen wird vorgeworfen, vertrauliche Informationen zur Sicherheit des Staates an die Öffentlichkeit gebracht zu haben. Beim Eklat um die Veröffentlichung rassistischer Karikaturen in der rechtskonservativen Jyllands-Posten im vergangenen Jahr hatte sich Dänemark noch als Hort der Meinungsfreiheit dargestellt.

Die beiden Journalisten hatten im Februar und März 2004 eine Reihe von Artikeln veröffentlicht, welche die dänische Regierung bloßgestellt und besonders Regierungschef Anders Fogh Rasmussen in Bedrängnis gebracht hatten. In der Debatte vor dem Irak-Krieg hatte dieser irakische Massenvernichtungswaffen stets als Tatsache ausgegeben, um eine Beteiligung an der US-geführten Kriegskoalition gegen den Irak plausibel zu machen: „Das ist nicht etwas, das wir glauben. Das ist etwas, das wir wissen.“ Mit Hilfe der rechtsradikalen Volkspartei konnte sich Rasmussens Koalition aus Venstre und Konservativen im März 2003 eine Parlamentsmehrheit für den Kriegseintritt sichern. Dänemark beteiligte sich mit Marineeinheiten an der Invasion. Obwohl der Kriegsvorwand längst widerlegt ist und eine Mehrheit der dänischen Bevölkerung die Okkupation des Irak ablehnt, hat Dänemark weiterhin etwa 530 Soldaten im Irak stationiert.

Die Publikationen in Berlingske Tidende schlugen wie eine Bombe ein. Sie belegten, daß in einer wichtigen außenpolitischen Entscheidung Parlament und Öffentlichkeit bewußt getäuscht wurden. Bjerre und Larsen stützten sich dabei auf Dossiers des Militärischen Nachrichtendienstes FE (Forsvarets Efterretningstjeneste), die ihnen von dem Geheimdienstler Frank Grevil zugespielt worden waren. Dieser hatte selbst an der Verfassung von drei Irak-Expertisen für die dänische Regierung mitgewirkt. Darin fanden sich keine haltbaren Erkenntnisse über irakische Massenvernichtungswaffen. Die dänischen Sessel-Agenten verfügten zudem über keine eigenen Quellen und hatten fleißig bei CIA und MI6 abgeschrieben. Grevil hatte sich aus staatsbürgerlicher Verantwortung und Gewissensnot zum Loyalitätsbruch gegenüber seinem Arbeitgeber durchgerungen. Als Demokrat und Bürger könne er nicht damit leben, „daß dem Parlament entscheidende Dokumente von der Regierung vorenthalten wurden“, begründete er später seinen Schritt.

Der dänische Staatsschutz Säpo kam dem Leck bei den Geheimen rasch auf die Spur. Grevil wurde aus dem Dienst entlassen, angeklagt und wegen Geheimnisverrates zu vier Monaten Haft verurteilt – trotz zahlreicher Proteste.

Dem Exempel gegen Grevil soll zwei Jahre darauf nun ein weiteres gegen diejenigen folgen, welche öffentlich machten, was längst Allgemeingut ist: Auch Dänemarks Oberen hatten keine Belege für irakische Massenvernichtungswaffen. „Die beiden Journalisten sollten ausgezeichnet statt bestraft werden“, erklärte der dänische Journalistenverband DJ. Gemeinsamen mit der International Federation of Journalists wollen sie die Angelegenheit nun wegen Verstoßes gegen die Meinungs- und Pressefreiheit vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte bringen.

Infos: www.journalistforbundet.dk

Von Peter Steiniger. Quelle: https://www.jungewelt.de/2006/05-04/022.php

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