Im schönen Schweden geht man Konfrontationen bekanntlich gern aus dem Weg. Dieses prima Konsens-Klima wurde bei den Tarifrunden der Industriegewerkschaften in diesem Jahr vom „Papierkonflikt“ eingetrübt.
Am 16. April traten sechs schwedische Papierfabriken mit 3000 Beschäftigten in verschiedenen Regionen für elf Tage in den Streik. Zugleich verhängten die Beschäftigten der nicht am Ausstand beteiligten Werke eine „Überstundenblockade“ und verweigerten jegliche Mehrarbeit. Betroffen waren auch die Global Player und Marktführer der Holz- und Zellstoffindustrie des Landes, SCA sowie das finnisch-schwedische Konsortium Stora Enso.
Die Papierarbeiter folgten einem Aufruf ihrer Organisation Pappers (Svenska Pappersindustriarbetareförbundet). Als einzige der 16 Einzelgewerkschaften im Dachverband LO (Landsorganisationen i Sverige) wählte diese den Weg des Arbeitskampfes, um der Unternehmerseite einen für sie akzeptablen Tarifvertrag abzuringen. Im Mittelpunkt ihrer Forderungen standen Lohnerhöhungen von mehr als den 3,2 Prozent, auf die man sich in den anderen Industrien geeinigt hatte. Pappers organisiert die Beschäftigten in der schwedischen Papierbranche, mit Ausnahme der Angestellten. Mit etwa 22000 Mitgliedern liegt der Organisationsgrad unter den Arbeitern bei der Traummarke von 99 Prozent – und damit deutlich über dem Durchschnitt der anderen Einzelgewerkschaften.
Für den 26. April hatte Pappers bereits eine Ausweitung des Arbeitskampfes auf sechs weitere Fabriken angekündigt, sollte sich die andere Verhandlungsseite nicht bewegen. Mit 50 Millionen Kronen (5,2 Millionen Euro) täglich bezifferten die Unternehmen ihre täglichen Verluste an Exporteinnahmen. SCA-Konzernchef Jan Johannson nannte den Streik eine „dunkle Wolke“, die sich auf Investitionen niederschlagen könne und die Branche Kunden koste. Pappers Druck zeigte Wirkung. Nach zähen Verhandlungen kam es kurz vor der zweiten Eskalationsstufe des Streiks zu einem Übereinkommen mit den Vertretern von Skogsindustrierna, der Unternehmerorganisation für die Holz- und Zellstoffindustrie.
Das Abkommen sieht eine Lohnerhöhung von insgesamt 3,3 Prozent bei einer Laufzeit von 22 Monaten, mehr Krankengeld und neue Zahlungsregelungen an die Pensionskasse vor. Für den Niedriglohnbereich – dazu zählen Beschäftigte mit weniger als 21300 Kronen (2215 Euro) Monatslohn – wurden besondere Zulagen vereinbart. Bei dieser Gruppe erreicht der Lohnzuwachs damit bei 3,5 Prozent. Zugeständnisse machte Pappers bei einem flexibleren Ausgleich von Arbeitszeitkonten.
Nun scheint für Konfliktparteien wieder die Sonne. Per Hidesten, Verhandlungsführer des Unternehmerlagers, sprach von einem Sieg ohne Verlierer. Es sei gelungen, die Lohnentwicklung in einem moderaten Rahmen zu halten und Schaden von der Marke Papier abzuwenden.
Trotz des auf den ersten Blick nur marginal besseren Abschlusses als in den anderen Industriezweigen zeigt sich auch Mikael Sterbäck, Sekretär des Pappers-Vorstandes, „sehr zufrieden“. In der ersten Stufe würden die Löhne bereits ab Mai 2010 um 266 Kronen (1,2 Prozent) steigen. Das liege voraussichtlich knapp über der Inflationsrate. Damit wäre das wichtigste Ziel des Streiks erreicht worden, die Reallöhne zu sichern. Auch von der Gewerkschaftsbasis gäbe es „gute Signale“ zu dem erkämpften Abschluss, betont Sterbäck.
Von Peter Steiniger. Quelle: https://druck.verdi.de/papier-pappe-kunststoff-verarbeitung/papierverarbeitung_archiv_2010, 29.04.2010