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Die Finger verbrannt

Wer ist der nächste? Drei Minister hatte Brasiliens neuer Präsident Michel Temer wegen Korruptionsvorwürfen bereits entsorgen müssen, jetzt wissen wir, wer Abgang Nummer vier ist.

Nun durfte sich der Chef der Generalanwaltschaft der Union (AGU), Fábio Medina Osório, bei den gewesenen Kabinettsmitgliedern einreihen. Die AGU vertritt Brasiliens Staatsorgane im Inneren und international und berät die Regierung in Rechtsfragen. Osó­rios Entlassung war ein scharfer Konflikt mit Temers Kabinettschef Eliseu Padilha, als dessen Spezi er bei seiner Berufung im Mai noch galt, vorausgegangen.

Seine Sporen verdient hatte sich der Jurist auf dem Feld der Korruptionsbekämpfung. Offensichtlich erkannte er nun die Zeichen der Zeit nicht. Er galt schon seit Wochen als Wackelkandidat. Kanzler Padilha forderte Osório am vergangenen Donnerstag zum Rücktritt auf, da er „nicht im Einklang“ mit der Temer-Regierung handele, was der Präsident am Tag darauf mit einem blauen Brief bestätigte. Da etliche Regierungsmitglieder keine saubere Weste haben, bevorzugt man beim Thema Korruption leise Schluss­akkorde, seit es sich nicht mehr gegen die Arbeiterpartei (PT) der gestürzten Präsidentin Dilma Rousseff instrumentalisieren lässt.

unbenanntGegenüber den Medien knallte der frisch gefeuerte Generalanwalt seine Karten auf den Tisch. Das Kanzleramt habe von ihm gefordert, dass sich die AGU aus den „Lava Jato“-Untersuchungen im Korruptionsskandal um den halbstaatlichen Ölkonzern Petrobras heraushalte. Die Temer-Regierung fürchte diese Ermittlungen und wolle sie „abwürgen“. Nachdem sich der Generalanwalt für die Akten von in den Skandal involvierten Politikern und Unternehmern interessiert hatte, kam für ihn das Aus. Ósoria spricht von einer Diffamierungskampagne gegen ihn und die AGU. Die Personalie wurde von Temer schnell geklärt. An die Stelle von Osório rückt Grace Mendonça, der ihr Vorgänger „exzellente technische Qualitäten“ zubilligt – und erwartet, dass sie „mitspielt“. Eine Qualität, für die Temer die erste Frau in seinem Kabinett in Kauf nimmt.

Von Peter Steiniger, erschienen in: junge Welt vom 13.09.2016, S. 2, Link

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