Sie tragen Uniformen, doch wollen nicht spuren: Die von Spaniens Innenminister unter Aufsicht gestellte katalanische Regionalpolizei Mossos d’Esquadra wird das vom Verfassungsgericht suspendierte Unabhängigkeitsreferendum in der nordöstlichen Region am Sonntag wohl nicht ernsthaft behindern. Am Mittwoch verbreitete Polizeichef Josep Lluís Trapero nach einem eher kurzen Arbeitstreffen bei der spanischen Generalstaatsanwaltschaft seine Bedenken. Die Befolgung der Madrider Befehle in dieser „angespannten Lage“, ließ er wissen, könne „unerwünschte Folgen mit sich bringen“. Die „Sicherheit der Bürger“ und die „öffentliche Ordnung“ gingen vor. Bei der von Madrid angeordneten Abriegelung von Gemeindehäusern und Schulen, welche die katalanische Regierung als Wahllokale nutzen will, und der Identifizierung der dort Tätigen wollen die Beamten sehr auf „Verhältnismäßigkeit“ achten. Die Ordnungshüter, die sich nur zum Schein an die Gesetze halten wollen, dürften damit der Geschichte des europäischen Anarchismus in seiner alten Hochburg ein glänzendes Kapitel hinzufügen.
Unterstützt werden die katalanischen Autonomiebestrebungen von der ETA (Baskenland und Freiheit). Die Untergrundbewegung, die erst in diesem Frühjahr ihren mehr als 50 Jahre währenden bewaffneten Kampf für ein unabhängiges Baskenland aufgegeben hat, bezeichnete den spanischen Staat am Mittwoch in einer Erklärung einmal mehr als „Gefängnis für die Völker“, der die „nationale Identität Kataloniens“ negiere. Wirkungsvoller als die ETA-Solidarität aber ist der Beitrag der Zentralregierung, welche kanisterweise Öl ins Feuer gießt. Ministerpräsident Mariano Rajoy und seine konservative Volkspartei (PP) sprechen den Katalanen ab, eine eigenständige Nation zu sein, und setzen immer stärker auf Repression. Unterstützer des Referendums bekommen es mit dem Staatsanwalt zu tun, hohe Strafen drohen, Wahlzettel wurden beschlagnahmt. In die Region rückten weitere 4.000 Beamte der Nationalpolizei und der Guardia Civil ein, um die Mossos am Sonntag nicht allein zu lassen.
Die ungebrochene Stärke der Unabhängigkeitsbewegung speist sich nicht nur aus dem Bewusstsein der Katalanen für die eigene Geschichte, Kultur und besonders die Sprache, die seit Jahrhunderten immer wieder unterdrückt wurden. Während der Diktatur von General Francisco Franco (1939–1975) war die Region ihrer Eigenständigkeit ganz beraubt. Vielen Einwohnern gehen die seit Ende der 1970er Jahre schrittweise zugestandenen Autonomierechte nicht weit genug. Linke Befürworter einer Loslösung von Spanien, in dem die postfranquistische Volkspartei das Sagen hat, hoffen auf größere Chancen für eine fortschrittlichere Politik. Ein Teil der katalanischen Eliten wiederum setzt nicht zuletzt auf regionalen Egoismus. Aus ihrer Sicht sollen die Steuereinnahmen ganz dort bleiben, wo ein Fünftel des Bruttoinlandsprodukts des iberischen Staates herkommt. Die wirtschaftsstärkste Region mit ihren etwa 7,5 Millionen Einwohnern, darunter viele aus anderen Teilen Spaniens zugewanderte, stellen sie als Spaniens Melkkuh dar. Alberto Garzón, Vorsitzender der Partei „Izquierda Unida“ (Vereinigte Linke), wirft der regierenden PP vor, es aufgegeben zu haben, den katalanischen Konflikt „durch Politik und nicht durch Repression“ zu lösen.