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Ein Mann will nach oben

Die größte Fraktion im brasilianischen Parlament steigt aus. Die Entscheidung, die Koalition mit der Arbeiterpartei (PT) von Präsidentin Dilma Rousseff zu verlassen, galt bereits vor einer Sitzung der Führung der PMDB (Partei der Brasilianischen Demokratischen Bewegung) am Dienstag in Brasília als sicher. Mit Michel Temer stellt die Partei auch den Vizepräsidenten des Landes.

Die politische Zweckehe ist kalt, die Staatschefin hält ihren seit fünf Jahren amtierenden Stellvertreter längst aus wichtigen Entscheidungen heraus. Mit dem Wechsel der PMDB in das Lager der Opposition wird jene Front gestärkt, die im Parlament eine Amtsenthebung Rousseffs anstrebt. Hierfür ist eine Zweidrittelmehrheit erforderlich. Längst nicht alle 69 PMDB-Vertreter im Nationalkongress dürften den Schwenk mitmachen. Die Entscheidung soll im April oder Mai fallen. Bei einer Absetzung von Rousseff würde Temer im Präsidialsystem ihren Platz einnehmen. Der politisch motivierte Vorgang würde den Ausgang der Wahl 2014 faktisch revidieren und käme einem kalten Staatsstreich gleich. In den vergangenen Monaten gingen Hunderttausende Brasilianer gegen oder für die Regierung auf die Straße. Die Krise wird von einer Kampagne der rechten Medien stetig geschürt.

junge Welt Seite 2Die PMDB wurde 1980 während der Militärdiktatur zunächst als Pro-forma-Opposition gegründet. Unter ihrem Dach organisierten sich Kräfte, die wesentlich zur Rückkehr des Landes zur Demokratie seit 1985 beitrugen. Heute ist die Partei ein Sammelbecken mit unbestimmter Ideologie, deren Politiker sich als Mehrheitsbeschaffer in unterschiedlichsten Koalitionen andienen. Temer hatte wegen der Sitzung seiner Partei einen Besuch in der portugiesischen Hauptstadt Lissabon abgesagt. Hier war er für ein Seminar an der Universität angekündigt, ebenso die Spitzen der konservativen PSDB Aécio Neves und José Serra, der führende Industrielle Paulo Skaf und Bundesrichter Gilmar Mendes. Mendes verbat kürzlich den Eintritt des populären Expräsidenten Lula da Silva in die Regierung Rousseff. Portugals Präsident Marcelo Rebelo de Sousa sagte seine Teilnahme bei dem Treffen der von Medien als „brasilianische Exilregierung“ Karikierten wegen „Terminschwierigkeiten“ ab.

Von Peter Steiniger, erschienen in: junge Welt vom 30.03.2016, S. 2, Link

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