Die Justiz hat Luiz Inácio Lula da Silva ins Visier genommen. Die Ermittlungsgruppe im Lava-Jato-Korruptionsskandal erhebt hanebüchene Anklagen, die sich nach eigener Aussage „auf Überzeugungen“ statt Fakten gründen, und bezeichnete ihn bei einem Medienspektakel vor wenigen Tagen als „Oberkommandierenden einer kriminellen Organisation“.
Am 27. Oktober vor 14 Jahren war mit Lula da Silva zum ersten Mal ein Arbeiter ins höchste Staatsamt Brasiliens gewählt worden. Als Führer der Metallarbeitergewerkschaft war Lula einer der Köpfe des Widerstands gegen die zivil-militärische Diktatur und einer der Gründer der linken Arbeiterpartei (PT). In den acht Jahren seiner Amtszeit erlebte Brasilien einen nie dagewesenen sozialen Wandel. Millionen konnten aufsteigen aus Armut und Elend. Menschen aus den ärmeren Schichten erhielten Zugang zu Bildung. Das Land wurde international zu einem Vorbild bei der Bekämpfung des Hungers und verfolgte eine unabhängige Außenpolitik.
Trotz Diffamierungskampagnen rechter Medien ist Lulas Popularität bis heute ungebrochen. Bei Umfragen liegt er regelmäßig vor anderen möglichen Bewerbern für die 2018 regulär anstehenden Präsidentschaftswahlen. Damit ist er der größte Stein im Weg der Verschwörer, die am 31. August seine Nachfolgerin Dilma Rousseff um ihr Amt brachten und seitdem Brasilien ein Programm des Rückschritts aufzwingen. Parteiisch und illegal agierende Richter sehen Lulas Kopf als Trophäe und haben sich selbst in Zugzwang gebracht. Zuallererst möchten sie Lula um die Wählbarkeit bringen.
In einem aktuellen Artikel unter der Überschrift „Warum sie mich verurteilen wollen“ nimmt Lula selbst dazu Stellung. In den mehr als 40 Jahren seines öffentlichen Wirkens sei sein „Privatleben permanent durchwühlt“ worden – „von den Sicherheitsorganen, dem politischen Gegner, der Presse“. „Sie suchen nach einem Verbrechen, um mich anzuklagen, aber sie fanden nichts, und sie werden nichts finden.“ Die falschen Anschuldigungen zielten weniger auf seine Person, vielmehr auf „das politische Projekt, für das ich stehe: das eines gerechteren Brasiliens mit Möglichkeiten für alle“.
Von Peter Steiniger, erschienen in: junge Welt vom 28.10.2016, S. 3, Link