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Lob von der Chefin

Unter besonders scharfen Sicherheitsvorkehrungen traf Bundeskanzlerin Angela Merkel am Montag zu einer – Zeit ist Geld – fünfstündigen Kurzvisite in der portugiesischen Hauptstadt ein. Ihre Botschaft war klar: Die Portugiesen sollen die Zähne zusammenbeißen und auf eine bessere Zukunft vertrauen.

Nach Auffassung der deutschen Regierungschefin sind die „schmerzhaften Veränderungen“, welche das iberische Land mit seinem radikalen Sparprogramm durchmacht, alternativlos. „Es handelt sich um einen langen und harten Prozeß, und ich weiß, daß er viele Opfer fordert“, sagte Merkel in einem Interview mit dem portugiesischen Staatsfernsehen RTP. Der Sender ist selbst von Kürzungen und Privatisierungsplänen betroffen. Dort machte Merkel zur Einstimmung auf ihren Besuch am Montag in Lissabon auch klar, daß eine Neuverhandlung der Auflagen der sogenannten Troika aus EU, EZB und IWF aus ihrer Sicht nicht in Betracht kommt.

In dem Abkommen hat sich Portugal im Gegenzug für eine Finanzspritze von 78 Milliarden Euro auf einen harten Sparkurs zur Eindämmung des Haushaltsdefizits verpflichtet. Steuern und Preise wurden erhöht, Löhne, Pensionen und Sozialleistungen drastisch beschnitten.

Merkel lobte den „Mut“, mit dem die Mitte-rechts-Regierung von Pedro Passos Coelho den Vorgaben der Troika folgt. Zwar sähen die Menschen noch keine positiven Ergebnisse dieser Politik, doch „mit mehr Zeit“ würden sich diese gewiß einstellen. Gleichzeitig äußerte die Kanzlerin Verständnis für Unzufriedenheit und Protest. Unter Verweis auf die DDR-Zeit hob sie die Bedeutung des Rechts auf friedliche Versammlungen in einer demokratischen Gesellschaft hervor.

In Portugal kam es in den letzten Monaten immer wieder zu Streiks und Massenprotesten, die sich gegen die Teuerung des Lebens und die Unterordnung des Landes unter die Troika richteten. Für die portugiesische Öffentlichkeit personifiziert besonders Merkel die Fremdbestimmung von Politik und Wirtschaft. In einem offenen Brief von hundert Intellektuellen, der Tausende Unterstützer fand, wurde die Bundeskanzlerin als „nicht willkommen“ in Portugal und „Hauptförderin der neoliberalen Doktrin, die Europa ruiniert“, bezeichnet.

Im von dichten Polizeiketten abgeriegelten Amtssitz traf Merkel zunächst mit Präsident Anibal Cavaco Silva und anschließend zu Gesprächen mit dem Ministerpräsidenten, Pedro Passos Coelho, zusammen. Im Schlepptau von Merkel reist eine Wirtschaftsdelegation, um an einem deutsch-portugiesischen Unternehmertreffen teilzunehmen, auf dem die Kanzlerin am Montag nachmittag eine Rede hielt.

Der Aufenthalt der von vielen Portugiesen unerwünschten Besucherin war von Protesten begleitet. Vor dem Präsidentenpalast skandierten Demonstranten „Merkel raus!“, eine Demonstration zur Verteidigung der nationalen Souveränität führte durch die Lissaboner Innenstadt. Als Zeichen gegen die unsoziale Sparpolitik hatten Aktivisten dort zahlreiche Denkmäler mit schwarzen Bändern verhüllt.

Die oppositionellen Kommunisten (PCP) präsentierten am Montag einen Gegenentwurf zum Haushalt für das Jahr 2013 auf den Feldern soziale Sicherheit und öffentliche Verwaltung. Insbesondere fordern sie eine Zulage auf die Mindestrenten, um der um sich greifenden Verarmung von Menschen zu begegnen.

Von Peter Steiniger. Quelle: Tageszeitung junge Welt, 13.11.2012, Nr. 264, S.1, Link

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