Die drei Oppositionsparteien im schwedischen Reichstag wollen mit einer gemeinsamen politischen Plattform 2010 die Regierung der bürgerlichen Koalition unter Staatsminister Fredrik Reinfeldt ablösen.
Diese Übereinkunft präsentierten am Sonntag auf einer gemeinsamen Pressekonferenz in Stockholm die Vorsitzende der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei, Mona Sahlin, die Doppelspitze der grünen Umweltpartei, Maria Wetterstrand und Peter Eriksson, sowie Linksparteichef Lars Ohly. Die frühere Arbeitsmarktministerin Sahlin, seit März 2007 an der Spitze der Sozialdemokraten und im Falle eines Wahlerfolgs der neuen Allianz nächste Regierungschefin des größten skandinavischen Landes, sprach von einer „historischen Übereinkunft“. Damit gebe es eine „starke und glaubwürdige Alternative“, welche Hoffnung verbreite, die gegenwärtige Krise meistern zu können.
Die Rezession der Weltwirtschaft schlägt bereits spürbar auf Schwedens Ökonomie und Arbeitsmarkt durch. Allein seit September verloren 50000 Beschäftigte zwischen Luleå und Malmö ihren Job. Der Absturz der US-amerikanischen Automobilhersteller General Motors und Ford droht, auch die zu diesen Konzernen gehörenden schwedischen Traditionsfirmen Saab und Volvo zu treffen. Das Kabinett von Fredrik Reinfeldt liegt in der Mitte der Legislaturperiode in der Wählergunst deutlich hinten. Meinungsumfragen sehen die vier Mitte-Rechts-Parteien des Regierungslagers zusammengenommen bei unter vierzig Prozent. Mit ihrer Plattform „Allianz für Schweden“ und dem Versprechen eines neuen, unverbrauchten Politikstils hatten sie 2006 (erst zum dritten Mal in den letzten siebzig Jahren) den Sozialdemokraten die Regierung abgenommen. Doch das jung-dynamische Image des Premiers verblaßte rasch. Zur Abnahme der Popularität trugen eine Steuerpolitik zugunsten der Oberschichten, die Heraufsetzung der Sozialversicherungsbeiträge und Schritte zur Einschränkung des Kündigungsschutzes und des gewerkschaftlichen Einflusses bei.
Aus der Krise möchte die Opposition nun ihre Chance machen und proklamiert die Verteidigung des Wohlfahrtsstaates. Angestrebt wird ein Politikwechsel mit den Leitbildern Vollbeschäftigung, soziale Gerechtigkeit und Umweltschutz. Die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit wird als eine zentrale Aufgabe hervorgehoben. Die drei Partner wollen mit eigenen Wahlprogrammen antreten und sich in zentralen Fragen auf eine gemeinsame Regierungsplattform verständigen. Im Frühjahr 2010 sollen gemeinsame Arbeitsgruppen eine Konzeption zur Wirtschafts- und Steuerpolitik vorlegen.
Neu an dieser „vertieften Zusammenarbeit“ ist die Ankündigung, nach den Wahlen 2010 eine förmliche Regierungskoalition unter Einschluß der Linkspartei (Vänsterpartiet) bilden zu wollen. Eine solche Konstellation war von Mona Sahlin lange entschieden abgelehnt worden. Die aus der ehemaligen KP 1990 transformierte Partei verortet sich heute als reformorientiert, sozialistisch und feministisch. Das bisher praktizierte Modell einer Tolerierung sozialdemokratischer Minderheitsregierungen soll nun zurückgelassen werden. Dafür geht Vänster von eigenen Positionen ab, wie einer massiven Ausweitung öffentlicher Beschäftigung und einer staatlich kontrollierten Geldpolitik. Die Parteien einigten sich in ihrem Pakt auf eine gemeinsame Linie in der Haushalts- und Währungspolitik sowie eine Beibehaltung der geldpolitischen Selbständigkeit der schwedischen Zentralbank, Sveriges Riksbank.
Für die Linkspartei bedeutet dieser Schritt eine Statusaufwertung – allerdings auf Kosten eigenen Profils. Als Kommunistenschreck verfängt Lars Ohly ohnehin kaum noch in der schwedischen Öffentlichkeit. Über die Kompromisse „sei man nicht glücklich“, aber müsse sie akzeptieren. „Wir haben uns sehr aufgeopfert, um diese Zusammenarbeit möglich zu machen“, so der Parteivorsitzende.
Von Peter Steiniger. Quelle: https://www.jungewelt.de/2008/12-09/008.php