Zum Inhalt springen

Kreative Strategie

Gegen eine Fortführung der Rotstiftpolitik und mit der Forderung nach einer sofortigen Entlassung der Regierung sind am Dienstag in Portugal an zahlreichen Orten Zehntausende auf die Straße gegangen. Die größte Gewerkschaftszentrale des iberischen Landes, die kommunistisch orientierte CGTP-Intersindical, hatte aus Anlaß der Verabschiedung des Haushaltes für das kommende Jahr zu einem „Nationalen Tag der Empörung, des Protestes und des Kampfs“ aufgerufen.

In der Hauptstadt Lissabon führten mehrere Demonstrationszüge, zu Blöcken hinter den Bannern ihrer Gewerkschaften formiert, zum Parlamentsgebäude, um dort gegen den härtesten Sparetat seit Jahrzehnten zu protestieren. Mit Transparenten und Losungen brachten die Teilnehmer ihre Wut über immer schlechtere Lebensbedingungen zum Ausdruck und forderten „Wahlen jetzt!“. Das mit den Stimmen der liberal-konservativen Mehrheit der Regierung von Ministerpräsident Pedro Passos Coelho von der Assembleia da República beschlossene Gesetz sieht Kürzungen von fast vier Milliarden Euro vor, was 2,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts Portugals entspricht. Gespart werden soll vor allem im Öffentlichen Dienst und bei den Renten der staatlich Bediensteten. Während vor den Türen demonstriert wurde, auch mehrere Abgeordnete der Kommunisten und KP-Generalsekretär Jerónimo de Sousa beteiligten sich, machten sich drinnen während der Debatte auch von der Zuschauertribüne des Parlaments Protestierer mit Rufen nach Rücktritt der Regierung bemerkbar.

Bei geplanten Aktionen, welche die Sicherheitskräfte und den Geheimdienst völlig überraschten, drangen Gewerkschafter in vier Ministerien – für Wirtschaft, Umwelt, Finanzen und Gesundheit – ein, um diese symbolisch für mehrere Stunden zu besetzen. CGTP-Generalsekretär Arménio Carlos verteidigte die gewaltfreien Aktionen als „eine Strategie des Kampfes gegen die Gewalt, welche diese Regierung dem Land und dem portugiesischen Volk antut“. Die CGTP bewertet den Protesttag als „weiteren wichtigen Schritt“, um das Ende „einer unmoralischen und verlogenen Regierung“ schneller herbeizuführen, welche die Ausbeutung verschärfe, die Arbeitenden und Rentner beraube – und so die Armut und den sozialen Ausschluß ausweite.

Nach einem Jajw_politik_ausland_6hrzehnt wirtschaftlicher Stagnation war das unter strukturellen Problemen und dem Konkurrenzdruck vor allem osteuropäischer Niedriglohnländer leidende Portugal von Finanzmärkten und Ratingagenturen ins Visier genommen worden und hatte massiv an Kreditwürdigkeit eingebüßt. Am Rande des Haushaltskollapses stehend, wurde es 2011 mit einem 78 Milliarden Euro schweren Hilfspaket der Troika aus EU, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds gestützt und faktisch unter deren Führungsaufsicht gestellt. Der von den mittlerweile oppositionellen Sozialisten mit ausgehandelte Pakt verpflichtet das Land zu strengen Sanierungsmaßnahmen, Privatisierungen und einer weiteren Deregulierung seines Arbeitsmarktes. Die Teuerung und der Rückgang von Investitionen verschärfen die Rezession und haben zu einer Rekord-Arbeitslosigkeit geführt. Hunderttausende, vor allem jüngere und besser qualifizierte Portugiesen, haben ihrem Land auf der Suche nach besseren Perspektiven den Rücken gekehrt.

Die CGTP hat angekündigt, den Regierenden noch vor Weihnachten weitere Bescherungen zu besorgen. Im Zentrum einer landesweiten Aktionswoche vom 16. bis 20. Dezember sollen Forderungen nach einer Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns und für die Rechte der Beschäftigten stehen. Für den 18. Dezember wird zu einer Großkundgebung vor dem Amtssitz des konservativen Staatspräsidenten Anibal Cavaco Silva aufgerufen, der den Etat mit seinem Veto noch stoppen könnte.

Von Peter Steiniger. Erschienen in: junge Welt vom 28.11.2013, Nr. 276, S.6, Link

 

Kommentar verfassen