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MST besucht Temers Freunde

„Korrupte, gebt unsere Ländereien heraus!“: Unter diesem Motto startete Brasiliens Bewegung der Landarbeiter ohne Boden (MST) am Dienstag morgen (Ortszeit) einen neuen nationalen „Kampftag für die Agrarreform“. An verschiedenen Orten im Land begannen ihre Aktivisten mit der Besetzung von Gütern der Landoligarchie, mit Straßenblockaden und Demonstrationen. Sie richten sich besonders gegen Stützen der im vergangenen Jahr auf illegitime Weise an die Macht gelangten Regierung von Michel Temer. Dessen Führungsriege ist – hinauf bis zum Staatschef selbst – in Korruptionsfälle verstrickt. Temers Politik prangert die Landlosenbewegung als gegen die Interessen der Kleinbauern und Indigenen gerichtet sowie als umweltfeindlich an.

thumbnail of jw-2017-07-26-10_mst-besucht-temers-freundeDie gut organisierte und kampferprobte MST ist eine der größten sozia­len Bewegungen Brasiliens und sicher die, die seinen Herrenhäusern am meisten Respekt einflößt. Besuch erhielt auch „Esmeralda“. 800 Aktivisten besetzten den größten Teil der Farm in Duartina im Inneren des Bundesstaates São Paulo. Sie gehört offiziell einem Freund und langjährigem Mitarbeiter Temers. Der als Coronel (Oberst) Lima bekannt gewordene Expolizist gilt vor Ort nur als Temers Strohmann. Seit Jahrzehnten soll er für diesen dunkle Geschäfte im großen Stil abgewickelt und Schwarzgeld eingesammelt haben.

Die Temer-Regierung ist eng mit dem Agrobusiness liiert. Gesetze und Institutionen ihrer Vorgänger, die eine Agrarreform ermöglichen sollten, will sie schleifen. Über die Landfrage sollen allein das Geld und häufig von Gutsbesitzern beherrschte lokale Behörden entscheiden. Der größte Teil des Bodens befindet sich weiter nur in wenigen Händen, ein großer Teil liegt ungenutzt oder dient Monokulturen für den Export. Die jüngst mit einer Reform beschlossenen Rückschritte beim Arbeitsrecht treffen die Landarbeiter besonders. Die MST spricht von moderner Sklaverei und fordert deren Aufhebung. Gegen bäuerliche Aktivisten gerichtete Anschläge von Handlangern der Fazendeiros fordern immer wieder Tote. Die Zahlen steigen: Bis zum Mai waren in diesem Jahr bereits 36 Opfer zu beklagen.

Von Peter Steiniger. Veröffentlicht in: junge Welt, 26.7.2017, Seite 1, Link