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Imperialistische Rivalitäten

Unübersichtliche und gefährliche Zeiten: Die USA erhöhen ihre Rohölimporte aus Russland. Folgt man einer oft behaupteten Logik, so kofinanzieren sie damit den Krieg gegen ihren Stellvertreter Ukraine. Russland wiederum dankt der Türkei für seine Vermittlerrolle im Konflikt. Ob es sich auch für die türkischen Drohnen für die Ukraine bedankte, die seine Truppen beschießen, wurde nicht gesagt. Deutschland hat der Türkei (Treiber oder Akteur in mehreren Konflikten) bereits für eine starke Partnerschaft gedankt, Kurden und Syrer können sich bei allen bedanken.

Mit dem Angriff auf Kiew haben sich Putins Truppen überhoben. Sie waren ja sicher nicht dort aufmarschiert, um die Atomruine von Tschernobyl zu besichtigen. Der Rückzug verdeutlicht auch, dass dem mit schwammig gehaltenen Zielen begonnenen Krieg politische und militärische Fehleinschätzungen im Kreml zugrunde liegen. Es erstaunt, dass das russische Militär die Spuren von Verbrechen an Zivilisten vor dem Rückzug nicht verwischt haben soll. Im Umkehrschluss bedeutet das nicht, dass sie fingiert wurden. Entsprechende Schutzbehauptungen des Kreml waren erwartbar und auch die andere Seite führt einen Propagandakrieg. Was dort genau passiert ist, muss unabhängig untersucht werden. Auch die Berichte von Human Rights Watch enthalten starke Hinweise auf Exzesse der Soldateska.

Ohnehin ist ein „sauberer Krieg“ eine reine Lüge, die man uns immer wieder auftischen will. Das betrifft bereits das „fachgerechte“ Brandschatzen, Morden und Verstümmeln. Krieg ist eine Orgie der Gewalt, die Menschen Ausnahmesituationen aussetzt, die den Lack der Zivilisation wegätzen. Das „Kriegshandwerk“ zieht naturgemäß nicht unbedingt Feingeister an. Fanatiker wie die Asow-Truppe oder Putins Gotteskrieger gehören noch in eine eigene Gefahrenklasse. Zivilisten Waffen in die Hände zu geben, macht sie auch zur Zielscheibe. Je länger dieser Krieg dauert, umso brutaler wird er werden.

Der 2012 verstorbene marxistische Historiker Eric Hobsbawn hatte bereits vor Augen, dass das 21. Jahrhundert, nachdem sich die Alternative zum Kapitalismus ruiniert hat, zu einem neuen blutigen „Zeitalter der Extreme“ werden könnte – eine Welt, die von imperialistischen Rivalitäten bestimmt ist. Eine Sicht, die mein Denken beeinflusst hat. Die Realität gibt Hobsbawn leider immer mehr recht. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und die Folgen, die er auf vielen Gebieten haben wird, machen den Faden, an dem unsere Zivilisation hängt, noch dünner.

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