Mit der Entlassung zum 30. Juni hatten die Zeitarbeitsfirmen der „Tabel-Gruppe“ ihre 389 Beschäftigten in der Weiterverarbeitung im Druckzentrum der Kieler Nachrichten, der einzigen Tageszeitung aus der Landeshauptstadt, am 19. Januar geschockt. Diese wehren sich – nun auch mit Betriebsrat.
Den Hintergrund bilden Verhandlungen um einen neuen Werkdienstleistungsvertrag sowie die Bemühungen der Gewerkschaft ver.di, einen Betriebsrat zu installieren. Ungewünschtes Neuland für die Zeitarbeitsfirma aus dem niedersächsischen Laatzen. Sein wichtigster Ableger im Kieler Druckhaus, die TB Personaldienste GmbH, hat allein 344 Leute unter Vertrag. Als Produktionshilfen erledigen sie die Arbeiten, bei denen viel Hand angelegt werden muß. Dazu gehört das Einlegen von Beilagen in Zeitungen, die Einlagerung und Verpackung sowie die Vorbereitung des Versands der fertigen Druckerzeugnisse. Außer dem Namensgeber werden hier auch die Hamburger Morgenpost sowie diverse Wochenblätter hergestellt.
Die Belegschaft im Bereich der Weiterverarbeitung setzt sich aus einigen wenigen Festangestellten, vor allem aber aus Beschäftigten auf 400-Euro-Basis, Hartz-IV-Aufstockern, zuverdienenden Rentnern und Ungelernten zusammen. Die meisten arbeiten in sogenannter „Teilzeit ohne Stundenbeschränkung“. Dieses Modell erlaubt bis zu 120 Arbeitsstunden je Monat. In der Praxis sind es oft mehr. Bei einem Stundenlohn von 6,14 Euro und einem Nachtzuschlag von 25 Prozent zählt jede Schicht. Wer in der Realität von Tabel Vollzeit arbeitet, geht dennoch nur mit wenig mehr als 1000 Euro im Monat nach Hause.
Seit die Weiterverarbeitung im Jahr 2000 aus dem Betrieb „outgesourct“ wurde, hat das Lohndumping bei KN ein Zuhause. Für gleiche Arbeit wird nicht einmal die Hälfte dessen gelöhnt, was Produktionshelfern nach dem Tarifvertrag für die Druckindustrie zusteht. Um Willkür zu bekämpfen und um die Geldfrage zu stellen, engagierte sich eine Gruppe von Beschäftigten über Monate für eine Betriebsratswahl. Unterstützung erhielten sie insbesondere von ver.di sowie der Partei Die Linke. Die Geschäftsführung um Rüdiger Tabel machte sich für den Wahlvorstand allerdings äußerst rar. Mit der Massenentlassung kam dann der Griff nach der Reißleine.
Doch seit der Auszählung am Donnerstag ist der Betriebsrat hier eine Tatsache. „Die Laus bleibt im Pelz, den werden sie nicht mehr los“, ist der frisch gewählte Marcus Peyn optimistisch. Auf der Agenda: ein Sozialplan, die Anfechtung der Kündigungen. Weit über hundert neue ver.di-Mitglieder sind eine starke Basis für Haustarifverhandlungen. „Wir sind damit auch streikfähig“, betont Peyn. Nach dem Juni wird es bei KN weiter Arbeit geben. Das Tabel-Konglomerat bewirbt sich erneut um den Auftrag. Heino Stüve vom ver.di-Fachbereich Druck und Papier im Bezirk Kiel sieht Öffentlichkeit und Politik in der Pflicht. Die Entlassung der Belegschaft dürfe nicht als „Betriebsaufgabe“ durchgehen, um die Vertretung der Beschäftigten abzuschütteln. Die Linksfraktion im Bundestag bereitet derweil eine Kleine Anfrage vor, welche auch Vorgänge bei den Kieler Nachrichten behandelt. Lohndumping dürfe nicht auch noch staatlich subventioniert werden, fordert die Schleswig-Holsteiner Abgeordnete Cornelia Möhring.
Von Peter Steiniger. Quelle: https://www.jungewelt.de/2010/02-06/039.php