An ein reiches Erbe wollen stets viele. Das künstlerische Erbe des Liedermachers Gerhard Gundermann, am 21. Juni 1998 mit nur 43 Jahren verstorben, seine Lieder, Texte und Gedichte, ist ein solches. Zum 15. Todestag erinnern in der Berliner „Wabe“ am vergangenen Freitag Künstler an „Gundi“, wie ihn seine Fans nennen – und viele davon sind da.
Bevor lange Zeit getragenere Töne erklingen, mischen die jungen Trommler von Rakatak den Saal auf. Lebendige Erinnerung eben. Dann sind die Liedermacher an der Reihe, Frank Viehweg und Henry-Martin Klemt bilden ein tolles Duo aus Gesang und Rezitation, die Magdeburger Band Aufsturz schlägt zum Abschluß rockige Töne an. Alle hier beweisen, daß sie legitime Erben und vor allem Fortsetzer Gundermanns sind. Der war ein Träumer, ein Suchender, ein Wissender, ein Utopist, ein traurig lachender Clown und ein Phantast – und aus all dem wuchs eine bemerkenswerte Poesie, welche tiefer anrührt, weil das Gefühl einer Zeit ebenso wie das kleine Glück und die ganz großen Fragen eingefangen sind. Sein Tod war ein Schlag: Nach Tamara Danz, für deren Gruppe Silly auch Gundermann getextet hatte, verlor der Osten eine weitere Stimme.
Der Lausitzer Baggerfahrer und Rockpoet war so sonderlich wie authentisch: Eine halbe Portion, aber ein ganzer Mensch stand da auf der Bühne, mit Gitarre, Fleischerhemd, unsäglichen Hosenträgern und Kassenbrille. „Gundis“ Idealismus war größer als der von 200prozentigen und so flog er aus der SED gleich wieder raus. „Während seiner Zeit als IM hat er für seine Tätigkeit insgesamt 1500 Mark und 1981 die Artur-Becker-Medaille in Bronze, eine Auszeichnung der FDJ, erhalten.“ Vielleicht bringt die Wikipedia ja noch ans Licht, daß er in dieser Zeit auch die Schwimmstufe II überreicht bekam. Die kostete allerdings etwas mehr Mühe als das Blech der Freien Deutschen Jugend, welches auf jeden herabregnete, der nicht bei drei aus dem Blauhemd war.
Seine erste Platte „Männer, Frauen und Maschinen“, 1988 veröffentlicht, war eine Offenbarung für alle, die auf einen Aufbruch der bleiernen Stagnation der letzten DDR-Jahre hofften: „Seit 15 Jahren steh ich an der Weltzeituhr/und ich bin nicht mehr so jung/und ich warte und ich warte/und die rote Nelke trag ich immer noch am Helm/obwohl sie mir schon lange verdorrte.“ – „Langsam überrolle ich den roten Strich, Niemand fragt und niemand schickt mich“ … Statt dessen fuhr die Karre in den Dreck und wurde abgewrackt. Und nun wurde Gundermann auch einem größeren Publikum bekannt. Seine Lieder sprachen das Gefühl aus, heimatlos zu sein, die Melancholie von Menschen, denen der Boden unter den Füßen für ein Versprechen von blühenden Landschaften weggezogen wurde.
Von Peter Steiniger. Erschienen in: junge Welt vom 24.06.2013, Nr.143, S.12, Link