Das Oberste Gericht Brasiliens hat den Weg zum politischen Putsch freigemacht. Mit acht zu zwei Stimmen lehnten die Richter einen Einspruch der Regierung gegen die für diesen Sonntag angesetzte Abstimmung im Unterhaus über eine Amtsenthebung von Präsidentin Dilma Rousseff von der Arbeiterpartei (PT) ab.
Es forderte die Abgeordneten auf, ihre Entscheidung einzig von den von der Opposition als Begründung hierfür vorgeschobenen Vorwürfen zu Haushaltstricks abhängig zu machen. Das Ziel der politisch-medialen Treibjagd auf Rousseff wäre erreicht, wenn eine Zweidrittelmehrheit in der Kammer gegen sie stimmt und anschließend der Senat mit einfacher Mehrheit.
Brasilien ist politisch scharf gespalten. Landesweit werden Demonstrationen in einer aufs höchste aufgeladenen Atmosphäre erwartet. Vor dem Parlament in Brasília sollen ein Metallzaun – bereits als „Mauer des Impeachments“ bekannt – und eine Pufferzone die Lager trennen. Im Vorfeld des Verfahrens tobt ein psychologischer Krieg um die öffentliche Meinung und zur Beeinflussung von Wackelkandidaten im Parlament. Beide Seiten geben sich siegesgewiss. Am Donnerstag wurde eine von Expräsident Lula da Silva initiierte Erklärung einer Parlamentarischen Front zur Verteidigung der Demokratie gegen die Absetzung der Staatschefin präsentiert, hinter der 186 Abgeordnete stehen sollen. Für Rousseffs Verbleib im Amt wären 172 Stimmen oder Stimmenthaltungen ausreichend. Eine Rechnung mit deutlich anderem Ausgang machen die Globo-Medien auf: 18 der im Parlament vertretenen Parteien haben sich demnach gegen Rousseff positioniert, nur fünf unterstützen die Staatschefin, und zwei bleiben neutral. Bei etlichen Abgeordneten der kleinen Parteien ist unsicher, wie sie sich entscheiden werden.
Was das Wahlverfahren bei der namentlichen und landesweit übertragenen Abstimmung angeht, konnte sich Parlamentspräsident Eduardo Cunha, der maßgeblich auf Rousseffs Sturz hinarbeitet, durchsetzen: Den Anfang machen Abgeordnete aus dem regierungsfeindlichen Lager. Cunha spekuliert darauf, dass dies eine Sogwirkung auf die nachfolgenden entwickelt.
Von Peter Steiniger, erschienen in: junge Welt vom 16.04.2016, S. 1, Link