Von Friedenszeiten kann keine Rede sein: Fast 62.000 Einwohner des größten südamerikanischen Landes wurden im Jahr 2016 Opfer tödlicher Gewalt. Das geht aus einem am Montag veröffentlichten Bericht des Brasilianischen Forums für Öffentliche Sicherheit (FBSP) hervor. Die Summe der Morde und tödlichen Raubüberfälle, vorsätzlichen Körperverletzungen mit Todesfolge und der Opfer von Polizeigewalt bildet einen neuen, makaberen Rekord. Durchschnittlich wurden im untersuchten Zeitraum sieben Tote pro Stunde, zwei davon weiblich, gezählt. Im Vergleich zu 2015 stieg die Rate von Mord und Totschlag um 3,8 Prozent, während die öffentlichen Ausgaben auf dem Gebiet der Sicherheit gleichzeitig um 2,6 Prozent niedriger ausfielen. In erster Linie ist das auf Kürzungen durch die Regierung in Brasília zurückzuführen.
Die Autoren der Studie setzen das jährliche Ausmaß tödlicher Gewalt mit den Folgen des Atomwaffenabwurfs auf die japanische Stadt Nagasaki im August 1945 gleich. Das Forum ist das wichtigste Netzwerk Brasiliens zu Sicherheitsfragen. Es schließt etwa 300 Spezialisten aus Wissenschaft, Polizei und Justiz, Verwaltung und NGO zusammen. Für seine jährlichen Erhebungen wertet FBSP Kriminalstatistiken, Daten zum Gefängnissystem sowie zu den öffentlichen Ausgaben aus.
Besonders markant fällt der Anstieg der Opferzahlen im Zusammenhang mit Polizei auf. 2016 kamen demnach 437 Beamte gewaltsam ums Leben, eine Zunahme um 17,5 Prozent. Etwas mehr als die Hälfte von diesen werden als Farbige geführt. Um sogar mehr als ein Viertel stieg die Zahl der Personen, die von Polizisten ums Leben gebracht wurden. Bei diesen 4224 Toten handelt es sich fast ausschließlich um Männer. Etwa 82 Prozent entfallen auf die Altersgruppe von 12 bis 29 Jahren, 76,2 Prozent zählen zu den Schwarzen. Ein Zusammenhang zum sogenannten Krieg gegen die Drogen in den Armenvierteln der Großstädte ist hier unverkennbar.
Im Fazit der Studie wird eine Neuausrichtung der Sicherheitspolitik gefordert, diese dürfe nicht länger „ausschließlich als Sache der Polizei“ und gewaltsame Konfrontation gehandhabt werden. Die Verfechter einer Kriegslogik und Befürworter der „harten Hand“, wie der rechtsradikale Abgeordnete und angehende Präsidentschaftsbewerber Jair Bolsonaro, schlachten die Toten für ihre Propaganda aus.