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Frauenfeindlichkeit vom Amt

Richter als Schutzengel für Machos: Proteste in Portugal gegen skandalöse Entscheidungen

Gott und die Welt will er verklagen: Neto de Moura droht gerade allen mit der Keule des Gesetzes, die öffentlich Kritik an ihm üben. Letztere prasselte in den vergangenen Wochen immer heftiger auf ihn ein. Zugezogen hat sich diese der Richter aus der nordportugiesischen Metropole Porto mit etlichen Urteilen in Fällen häuslicher Gewalt, bei denen er die Schuld dem Opfer auflud.

Nun fühlt er sich in seiner persönlichen Ehre angegriffen. Auf der Liste jener, die er drankriegen möchte, stehen Kommentatoren und Satiriker, aber auch Abgeordnete wie Mariana Mortágua vom Linksblock (BE), die Moura als „machistischen Richter“ bezeichnete, der „die Sicherheit von Frauen aufs Spiel setzt“. In den sozialen Medien finden sich bereits Tausende Profile mit der Aufforderung „Processa-me!“ (Verklag mich!). Catarina Martins, Vorstandssprecherin des Bloco de Esquerda, hält Moura für nicht geeignet als Jurist, er sei eine „Beleidigung für alle Richter“.

Im Februar erhielt Moura von Portugals Oberstem Justizrat, der Aufsichtsbehörde über die Richter in dem iberischen Land, eine Rüge. Dies geschah allerdings erst auf den Druck der Öffentlichkeit hin. Der Richter habe sich einem weiblichen Opfer gegenüber „beleidigend und respektlos“ verhalten, wurde ihm hier attestiert. Diese von zwei Männern attackierte und verletzte Frau war von Moura als „hinterhältig, falsch, scheinheilig und untreu“ gescholten worden. In der Behandlung des Falles habe der Richter, stellte der Justizrat fest, sowohl die „in der Verfassung verankerten als auch ihr übergeordneten Prinzipien der menschlichen Würde und Gleichheit“ verletzt.

Den Hintergrund bildet eine Entscheidung Mouras vom Oktober 2017, mitunterzeichnet von seiner Richterkollegin Maria Luisa Arantes. Es ging um eine Straftat aus dem Jahr 2015. Eine Frau aus Felgueiras war gemeinsam von ihrem Exehemann mit ihrem früheren Liebhaber angegriffen und dabei mit einem Knüppel mit Nägeln geschlagen und verletzt worden. Die beiden kamen mit Geld- und Bewährungsstrafen davon. Im Berufungsverfahren wollte die Klägerin eine härtere Sanktionierung erreichen.

Moura und Arantes lehnten das ab. In der Begründung verpassten sie dem Opfer eine Moralpredigt. An dieser Stelle nur zur Erinnerung – wir befinden uns immer noch im 21. Jahrhundert. „Der Ehebruch der Frau ist ein äußerst schwerer Anschlag auf die Ehre und Würde des Mannes“, hieß es da. Es gebe Gesellschaften, in denen die ehebrecherische Frau bis zum Tode gesteinigt würde. Und in der Bibel stehe zu lesen, dass eine solche mit dem Tod zu bestrafen sei. Kurz gesagt, das Opfer ist in den Augen dieser Richterin und dieses Richters noch gut weggekommen.

Als mildernder Umstand für die beiden gewalttätigen Expartner wurde bewertet, dass diese sich in einem „depressiven Zustand“ befunden hätten. Zudem wurde darauf verwiesen, dass bis ins späte 19. Jahrhundert in Portugal Männer, die ihre untreuen Frauen umbrachten, nur symbolisch bestraft worden seien. Von jeher habe die Gesellschaft der Gewalt eines „betrogenen und gedemütigten Mannes ein gewisses Verständnis“ entgegengebracht.

Ende Februar wurde eine Entscheidung des Richters Moura vom vergangenen Herbst bekannt, die ebenfalls auf Protest stößt. Er hatte der Berufung eines Mannes teilweise stattgegeben, der seine mittlerweile von ihm geschiedene Frau 2016 mit Schlägen traktiert hatte, so dass ihr ein Trommelfell geplatzt war. Der Täter durfte dank Moura die elektronische Fußfessel ablegen. Diese musste er nach einem Urteil in der ersten Instanz zu drei Jahren Haft auf Bewährung und einer Geldstrafe mit der Auflage tragen, sich dem Opfer nicht erneut zu nähern.

Aus Angst vor neuen Aggressionen sieht sich die Frau seitdem gezwungen, versteckt zu leben. Bereits drei Jahrzehnte lang war sie immer wieder Übergriffen ihres Mannes ausgesetzt gewesen. Opferorganisationen beklagen, dass bei Annäherungsverboten eine große Diskrepanz zwischen den bestehenden Gesetzen und ihrer Anwendung durch die Justiz bestehe.

In jungen Jahren war der aus kleinen Verhältnissen stammende Moura bei den Kommunisten aktiv und wirkte als gewerkschaftlicher Anwalt. Sein grotesk reaktionäres Verständnis der Geschlechterrollen aber war offenbar nicht hinderlich für die Karriere. Jetzt bekommt der 63jährige Gegenwind von Frauenorganisationen, fortschrittlichen Juristen, von Politikern und vielen Prominenten zu spüren.

In Porto und der Hauptstadt Lissabon fanden erste Protestveranstaltungen mit Hunderten Teilnehmerinnen und Teilnehmern statt. „Wir wollen keine Richter aus dem 19. Jahrhundert“, hieß es dort. Petitionen fordern die Absetzung von Moura. Auf den heutigen großen Demonstrationen zum Internationalen Frauentag in Portugal wird der Richter mit dem Herz für prügelnde Männer Mode sein.

Von Peter Steiniger. Erschienen in junge Welt, Ausgabe vom 08.03.2019, Seite 15, Link

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