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Einig im Widerstand


Gegen die manipulative Rolle der Globo-Medien wurde auch in São Paulo demonstriert (17.4.2018, Foto: Mídia NINJA)

Selbst hinter Gittern bleibt er unschlagbar: Der seit zehn Tagen in Paranás Hauptstadt Curitiba in Einzelhaft sitzende Kandidat der Arbeiterpartei (PT), Luiz Inácio Lula da Silva, hat nach neuen Umfragen für die Präsidentschaftswahlen im Oktober weiter die Nase vorn. Die konservativen Leitmedien machen darum auffallend wenig Worte. Abgeschlagener Zweiter ist der äußerst rechts stehende Kongressabgeordnete Jair Bolsonaro, der sich als ein brasilianischer Donald Trump gibt und die Kulturstufe seines Vorbilds noch unterschreitet.

Im kafkaesken Prozess, der im Januar mit Lulas Verurteilung zu zwölf Jahren Haft endete – ein Verbot seiner Kandidatur ist in der Folge erwartbar –, war ihm der Besitz eines schmucken Appartements unterstellt worden. Der Baukonzern OAS soll den früheren Präsidenten Brasiliens (2003 bis 2010) mit der Immobilie am Strand von Guarujá im Bundesstaat São Paulo bedacht und sie aufwendig für ihn hergerichtet haben. Als kleines Dankeschön für politische Gefälligkeiten, auch wenn sich keine passende Amtshandlung finden ließ.

Am Montag luden sich Aktivisten der Bewegung der wohnungslosen Arbeiter (MTST) und von deren Bündnis „Povo sem medo“ in die als „Triplex“ zu Berühmtheit gelangte dreistöckige Dachgeschosswohnung des „Solaris-Gebäudes“ in Guarujá ein. Eine hintersinnige Besetzung, um das von der Justiz begangene Unrecht vorzuführen. „Gehört sie Lula, dann gehört sie uns.“, skandierten die Eindringlinge. Bilder aus dem Inneren des Appartements legen nahe, dass diesem eine kleine Überholung nicht schaden könnte. Nach einer Drohung der Polizei, alle an der Aktion Beteiligten zu verhaften, wurde diese nach einigen Stunden wieder beendet.

Für den Dienstag riefen Basisbewegungen und MTST-Anführer Guilherme Boulos zu einem großen „Marsch gegen Rede Globo“ in Belo Horizonte, der Hauptstadt von Minas Gerais, auf. Der Medienkonzern, so die Aufrufer, habe die Diktatur (1964–1985) unterstützt und sei heute „aktiv beteiligt an der Rücknahme von Rechten der Bevölkerung“. Globo manipuliere die Öffentlichkeit und bedrohe die Demokratie.

Wie an vielen Orten im ganzen Land geht auch vor den Toren des Polizeigefängnisses in Curitiba, wo Lula in Einzelhaft sitzt, trotz Regen und kühlen Temperaturen der Protest weiter. Das hier errichtete, gut organisierte Camp wollen seine Bewohner nicht aufgeben, bis ihr Idol wieder in Freiheit ist. Stark vertreten sind hier Anhänger der Landlosenbewegung MST. Tausende kommen zu den Meetings, Konzerten und öffentlichen Vorlesungen der „Demokratischen Mahnwache für Lulas Freiheit“. Jeden Morgen und jeden Abend senden die hier Versammelten im Chor einen lautstarken Gruß an den Gefangenen. Am Montag erhielten sie erstmals Antwort. In einem Brief dankte ihnen der Politiker für „den Widerstand und die Beteiligung an diesem Akt der Solidarität“. „Ich habe euch gehört“, ließ Lula aus seiner Zelle wissen. Er vertraue auf den Sieg der Gerechtigkeit, doch sei er „empört, wie jeder Unschuldige sich empört, dem Unrecht widerfährt.“

thumbnail of 2018-04-18-Einig im WiderstandIn einer gemeinsamen Erklärung vom Dienstag, die die Unterschriften von Carlos Lupi, Vorsitzender der Mitte-links-Partei PDT, von PT-Präsidentin Gleisi Hoffmann, der kommunistischen Parteichefin Luciana Santos sowie von Juliano Medeiros für die sozialistische PSOL trägt, wird die Einkerkerung Lulas als ein „Angriff auf die brasilianische Demokratie und die internationalen Verträge über die Menschenrechte“ angeprangert. Die Haft auf der Basis eines Urteils „ohne einen einzigen haltbaren Beweis“ sei ein „Akt politischer Verfolgung“. Sie verschärfe „das gefährliche KIima des Hasses und der politischen Instabilität“ in der Gesellschaft, stürze Brasilien noch tiefer in die Krise. „Was sie heute mit Lula machen, können sie morgen mit jedem tun“, warnen die linken Parteichefs.

Von Peter Steiniger. Erschienen in junge Welt, Ausgabe vom 18.04.2018, Seite 7 / Ausland, Link