Zum Inhalt springen

Einer wird verlieren

Am kommenden Sonntag haben Portugals Wähler erneut die Gelegenheit, dem politischen Establishment einen Denkzettel zu verpassen. Im Visier haben sie vor allem die seit 2005 alleinregierende Sozialistische Partei von Ministerpräsident José Sócrates. Damals löste diese die Rechte mit überzeugenden 44,5 Prozent der Stimmen ab. In der Versammlung der Republik, dem nationalen Parlament, brachte ihr das eine absolute Mehrheit an Sitzen. Sócrates profitierte von Skandalen um den konservativen Filz und dem peinlichen Agieren seines Amtsvorgängers Pedro Santana Lopes von der rechtsliberalen Sozialdemokratischen Partei (Partido Social Democrata, PSD). Santana Lopes hatte das Ruder des sinkenden Schiffes von José Manuel Barroso übernommen, der 2004 als EU-Kommissionspräsident nach Brüssel entfleucht war.

Der telegene José Sócrates kommt vom rechten Flügel der Sozialisten und trat als Modernisierer und Garant für einen Aufschwung an. Im Laufe dieser Legislaturperiode ist jedoch für viele aus dem Hoffnungsträger ein Schaumschläger geworden. Die wirtschaftliche Talfahrt setzte sich fort und ging infolge der internationalen Finanzmarktkrise seit 2008 in den freien Fall über. Die Kaufkraft der Bevölkerung sank stetig, prekäre Arbeit wurde ausgeweitet, der öffentliche Dienst beschnitten. Die offizielle Arbeitslosenquote nähert sich der Zehn-Prozent-Marke. Sócrates’ Ruf ist durch Korruptionsvorwürfe aus seiner Amtszeit bis 2002 als Umweltminister angekratzt. Die Medien erregt auch ein möglicher Skandal über einen Lauschangriff gegen den liberalen Staatspräsidenten Aníbal Cavaco Silva. Bei den Europawahlen vor einem Vierteljahr erreichte die PS gerade einmal 26,6 Prozent und fiel hinter die PSD zurück. In den Umfragen liegen sie nun Kopf an Kopf. Mit jeweils etwas über 30 Prozent ist eine erneute Mehrheitsregierung nicht in Sicht. Für die PSD dürfte es auch zusammen mit der rechtskonservativen Volkspartei, CDS-PP, dafür nicht reichen.

Daher geht das Gespenst der großen Koalition bereits um in Lissabon. Der 52jährige Schickimicki-Sozialist Sócrates müßte dann das Regierungslager mit der „Eisernen Lady“ der PSD, Manuela Ferreira Leite (68) teilen. Politisch trennt sie wenig, da die PS den PSD-Kurs weitgehend fortführte. Der Sozialistenchef verspricht erneut einen Modernisierungsschub und verkündet bereits das Ende der Rezession. Er setzt auf Großprojekte wie den Bau eines neuen Hauptstadtflughafens bei Alcochete, der Lissabons innerstädtischen Airport Portela 2017 ersetzen wird. Auch der Ausbau der Schnellzugverbindungen nach Spanien soll das Wachstum in Fahrt bringen. Ferreira Leite bevorzugt einen harten Sparkurs, Einschnitte in den öffentlichen Dienst und weitere Deregulierung.

Einen harten Kurswechsel fordern die beiden Linksparteien, die um zweistellige Resultate und den dritten Platz im Parteiengefüge wetteifern. Sowohl der plurale Linksblock, der sich dem Demokratischen Sozialismus verschrieben hat, als auch die „Vereinte Demokratische Koalition“ (Coligação Democrática Unitária, CDU) aus Kommunisten und Grünen sammeln Wähler aus dem PS-Lager ein. Zumindest rechnerisch können sich daraus alternative Konstellationen ergeben. Ohne ihren „entscheidenden Beitrag“ werde es „keine Linksregierung und keine linke Politik“ geben können, wirbt KP-Generalsekretär Jerónimo de Sousa um Stimmen für seine CDU.

Peter Steiniger
Von Peter Steiniger. Quelle: https://www.jungewelt.de/2009/09-25/031.php

Kommentar verfassen