Deutliche Verluste für die Sozialdemokraten, Konservative stärkste Kraft: In Portugal stürzte am Sonntag die Sozialistische Partei (PS) von Premier José Sócrates mit nur 26,6 Prozent der Stimmen tief. Bei der EU-Wahl 2004 und der zum Parlament im Jahr darauf hatte die PS noch jeweils etwa 45 Prozent eingefahren. Nur rund 37 Prozent der Portugiesen ließen sich überhaupt für den EU-Urnengang begeistern. Die konservative Sozialdemokratische Partei (PSD) blieb mit 31,7 Prozent knapp hinter ihrem Ergebnis von vor fünf Jahren.
Die eigentlichen Gewinner der Wahl finden sich links der Mitte. Vor allem der Linksblock (Bloco de Esquerda, BE) konnte mit 10,7 Prozent deutlich zulegen und stellt künftig drei statt einen EU-Parlamentarier. Nur ein knappes Zehntelprozent dahinter liegt das kommunistisch-grüne Wahlbündnis CDU. PKP-Generalsekretär Jerónimo de Sousa sprach von einem wichtigen Wahlsieg für seine Partei und einem klaren Votum gegen die unsoziale Politik der Regierenden. Die KP-Allianz konnte 70 000 Stimmen hinzugewinnen und ihre beiden Mandate behaupten. Portugals Sitze in Brüssel sind von 24 auf 22 reduziert worden.
Der Linksblock BE bilanziert einen „historischen Sieg“ und eine „Abstrafung“ der mit absoluter Mehrheit regierenden Sozialisten. Die vor zehn Jahren gegründete Partei mit Bewegungsanspruch ist Produkt des Zusammenschlusses mehrerer trotzkistischer und linksintellektueller Gruppierungen sowie sogenannter „Erneuerer“, denen die KP keine politische Heimat mehr bieten wollte. Diese KP-Dissidenten und die ultralinke Vergangenheit vieler heute im bürgerlichen Medienbetrieb Etablierter sicherten dem Bloco von Beginn an eine wohlwollende Medienbegleitung. Der Linksblock ist Vollmitglied der Partei der Europäischen Linken (EL). Im Wahlkampf sprach er sich für einen „neuen EU-Vertrag“ anstelle des Lissaboner Abkommens aus, in dem die sozialen und politischen Rechte der Bürger gestärkt werden sollten.
Als Alternative im verkrusteten Parteiensystem, basisdemokratisch und pluralistisch, spricht der BE-Politikstil vor allem ein gebildetes, jüngeres und städtisches Publikum an. Dadurch werden neue soziale Schichten eingebunden oder repolitisiert. Der Bloco konnte seine Basis stetig verbreitern und sich im nationalen Rahmen etablieren. Dabei profitiert er von Abwanderungserscheinungen am linken PS-Flügel. Alt-Sozialist Manuel Alegre, der als unabhängiger Kandidat bei den Präsidentschaftswahlen 2006 mit fast 21 Prozent den zweithöchsten Stimmenanteil erreichte, trat in der Endphase des EU-Wahlkampfes auf Meetings des Bloco auf.
Ideologische Differenzen, Konkurrenz und schwierige „Verwandtschaftsbeziehungen“ zwischen Bloco und PKP äußern sich in einer Art offiziellem Nichtverhältnis. Zur Aktionseinheit kommt es dennoch. An den großen Massenprotesten der (kommunistisch beeinflußten) Gewerkschaftszentrale CGTP-Intersindical in den letzten Monaten gegen die soziale Misere waren beide Parteien aktiv beteiligt. Und in der linken EU-Fraktion GUE/NGL arbeiteten ihre Vertreter auch bisher schon reibungsarm zusammen.
Während Portugals Premier Sócrates das sozialdemokratische Weiter-so-Mantra aufsagt, rechnen sich die Linkskräfte gute Chancen für die Kommunal- und Parlamentswahlen in diesem Jahr aus. Bloco-Vorsitzender Francisco Louçã sieht das Ziel, seine Partei zum Teil einer neuen „Großen Linken“ zu machen. Der Linksblock sei „bereit, politische Verantwortung zu übernehmen“.
Von Peter Steiniger. Quelle: https://www.jungewelt.de/2009/06-11/015.php