Zum Inhalt springen

Modernisierer des Tages: Flávio Dino

Während fast überall das Licht der Aufklärung schwindet, glimmt im fernen Nordosten Brasiliens ein Funke der Hoffnung auf.

Der Bundesstaat Maranhão mit überschaubaren sechs Millionen Einwohnern ist annähernd so groß wie Deutschland und außerhalb der Kreuzworträtselintelligenz so bekannt wie die Hauptstadt der Komoren. Doch in Maranhão wird das Rad der Geschichte jetzt vorwärts gedreht. Sein Gouverneur Flávio Dino hat gerade eine „bürgerlich-demokratische Revolution“ angekündigt. Ihre Wegbereiter haben sich um Hammer und Sichel geschart: Gegen den Trend im Land, wo die Linke fast überall ablooste, hat Dinos Kommunistische Partei von Brasilien hier im Oktober die Rathäuser im Sturm genommen. Der halbfeudale Clan der Sarneys, der hier seit Anno dazumal kommandierte, mit seiner „Angst vor dem Kapitalismus“, wurde zum Rückzug gezwungen. Nun sollen die Produktivkräfte aus ihren Fesseln befreit und der Staat modernisiert werden. Das, so Dino, sei eine zeitgemäße, flexible Anwendung des Kommunismus.

Seine PCdoB ist auf die 1922 gegründete erste kommunistische Partei Brasiliens zurückzuführen. In ihrer wechselvollen Geschichte nahm sie alle Haupt- und Nebenlinien der Weltbewegung mit und alle Gelegenheiten zur Spaltung wahr. Ihre waghalsige Reise führte von Väterchen Stalin zu Chinas großem Steuer­mann und zurück, zwischendurch erwärmte sie sich für das albanische Leuchtfeuer des Sozialismus. Jahrzehntelang musste sie im Untergrund kämpfen. Sie scheiterte während der Militärdiktatur mit ihrer Guerilla und unterwanderte später erfolgreich das System. Mittlerweile hat sie ihre Mitte gefunden und lebt mit der Arbeiterpartei PT in einer eheähnlichen Gemeinschaft. Und ganz wie es das Land der Mitte vormacht, möchte Dino, dass „mehr Mäuse“ gefangen werden. Also sagt auch er: „Die Farbe der Katze ist unwichtig.“ (pst)

Von Peter Steiniger, erschienen in: junge Welt vom 19.11.2016, S. 8, Link