Das Kapital kennt keine Grenzen, also müssen auch die Arbeitenden länderübergreifend für ihre Interessen streiten. Diesem Credo sieht sich die Nachrichten- und Kampagnenplattform LabourStart verpflichtet. Ihr Adressat ist die internationale Gewerkschaftsbewegung. Daß dieses Netzwerk wächst, belegte am vergangenen Wochenende in Berlin sein Meeting und dem Titel „Globale Krise globale Solidarität“. Etwa 300 Basisaktivisten und offizielle Vertreter von Gewerkschaften aus 75 Ländern verschiedener Erdteile unter anderem aus Bangladesch, Südkorea, Pakistan, Indien, Südafrika, Kamerun, Togo, Rußland, der Ukraine, Italien, Frankreich, den USA und Kanada hatten auf eigene Initiative hin den Weg in die deutsche Hauptstadt gefunden. Einen weißen Fleck bildet hingegen noch Lateinamerika. Zuletzt hatte man sich 2012 in Sydney, Australien, getroffen.
LabourStart kann sich auf keinen großen Sponsor stützen. Viel ehrenamtliche Arbeit war vonnöten. Immerhin bot die deutsche Dienstleistungsgewerkschaft ver.di der Veranstaltung in ihrer imposanten, modernen Zentrale am Ostbahnhof ein Dach und die Möglichkeit für die logistische Bewältigung der Podien und mehr als 50 Workshops während der drei Konferenztage. Die Stände und Transparente, die Vielfalt der Teilnehmer und der Schwung ihrer Debatten belebten das Gewerkschaftshaus. Der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske ließ es sich nicht nehmen, ein Grußwort an die Teilnehmer zu richten, in dem er die Notwendigkeit internationaler Solidarität unterstrich.
LabourStart setzt auf Information, Vernetzung und Kampagnen, wobei dem Internet eine wichtige Rolle zukommt. Mehrere Workshops beschäftigten sich mit Methoden und Strategien der Kommunikation. Im Zeitalter des Neoliberalismus müsse gerade der jungen Generation vermittelt werden, hieß es, daß Rechte nicht Geschenke der Unternehmen und Regierungen, sondern mit einer Geschichte sozialer Kämpfe verbunden seien. Vor allem wurde während der Konferenz an praktischen Beispielen deutlich gemacht, wie nötig internationale Solidarität ist und wie sie wirksam werden kann. Die Textilgewerkschafterin Nazma Akter aus Bangladesch berichtete von der Ausbeutung billiger Arbeitskraft in ihrem Land und der internationalen Unterstützung im Kampf um bessere Arbeits- und Lebensbedingungen der zwei Millionen Textilarbeiter dort. Ein Delegierter aus der Türkei machte die Profitgier des Grubenunternehmens und das Wegschauen der Regierung für die Toten der Bergwerkskatastrophe in Soma wenige Tage zuvor verantwortlich, deren Opfern mit einer Schweigeminute gedacht wurde. Die Proteste in der Türkei seien nicht isoliert, sondern verbunden mit Aktionen im Ausland. Mag Wompel vom kritisch-linken Informationsdienst LabourNet Germany warb um mehr Bewußtsein dafür, daß die Verteidigung der Rechte derjenigen, die von Erwerbsarbeit ausgegrenzt sind, im eigensten Interesse der klassischen Gewerkschaftsklientel liege.
Vorgestellt wurden etliche Kampagnen, bei denen sich LabourStart einbringt, darunter die langfristige für die Rechte der Bauarbeiter im Land der Fußball-WM 2022, Katar. International mobilisiert wird auch zur Unterstützung von PepsiCo-Lagerarbeitern im indischen Westbengalen, die wegen gewerkschaftlicher Betätigung gefeuert wurden. Zur praktischen Demonstration, wie globale Lieferketten an vielen Orten die Möglichkeit bieten, wirksam Protest zu üben, machten die Konferenzteilnehmer mit einer Kundgebung vor einem Kreuzberger Edeka-Markt auf die Mitverantwortung des Einzelhandels für die Arbeitsbedingungen auf brasilianischen Orangenplantagen aufmerksam, von denen ein Großteil des Safts in den hiesigen Regalen stammt.
Weltweit zählt das antikapitalistische demokratische Netzwerk mehr als 125000 Gewerkschafter zu seinen Unterstützern. Die Bewegung setzt auf eine Balance zwischen Verankerung in den Gewerkschaften und der Bewahrung ihrer Eigenständigkeit. Daß sich deren Funktionäre global dafür erwärmen, ist nicht zu erwarten. Die erfolgreiche, bisher größte Konferenz des Projektes, das 1998 in London von dem US-amerikanischen Autor Eric Lee nur mit einer Internetseite gestartet wurde, dürfte dazu beitragen, daß es auch hierzulande bei LabourStart bei mehr Menschen „klingelt“.
Von Peter Steiniger. Erschienen in: junge Welt vom 27.05.2014, Nr. 121, S.15,Link