Da reißen die Richtigen den Mund auf: Brasiliens Regierung spricht der am Sonntag in Venezuela gewählten verfassunggebenden Versammlung die Legitimität ab. Bereits Stunden, bevor dort die Wahllokale schlossen, erklärte das Außenministerium des großen Nachbarlandes – nach dem Glashaus, wo es seinen Sitz hat, kurz Itamaraty genannt – die Abstimmung für wertlos. Brasília fordert die Auflösung des Gremiums und einen Dialog mit der Opposition für einen „friedlichen politischen Übergang“. Nichts sehnlicher wünsche man für Caracas als die „Wiederherstellung der demokratischen Ordnung“. Mit seiner Initiative habe Venezuelas Staatschef Nicolás Maduro deren Heiligtümer entweiht. Die mehr als acht Millionen venezolanischen Wahlberechtigten, die abgestimmt haben, waren aus Sicht der regionalen Führungsmacht an einem Projekt beteiligt, welches „das Prinzip der Volkssouveränität missachtet“.
Brasilien, sonst außenpolitisch abgetaucht, favorisiert unter Präsident Michel Temer für die Hängepartie in Venezuela mit Elan dieselbe Lösung, wie alle Demokratielehrer und Menschenrechtsbehüter der freien Welt: einen von außen und mit allen Mitteln beförderten Sturz der gewählten Regierung. Seine Leitmedien malen die Zustände dort als Schreckbild linker Herrschaft aus, soziale Erfolge werden abgetan, die Verantwortung für die politische und wirtschaftliche Krise schreiben sie allein dem Lager der Chavisten zu. All das, was auch die hiesigen frei Haus liefern. Hinter dem großen Teich will nicht nur Uncle Sam einer Diktatur in Venezuela den Weg verlegen, mit Mexiko, Argentinien und Kolumbien haben sich weitere Schwergewichte bei ihm untergehakt. Zur „illegitimen Regierung“ des Busfahrers sagen sie alle pfui. Bei Rechtsabbieger Temer, dessen Regierung ein Hohn auf die Volkssouveränität ist, verliert derselbe Chor sofort die Stimme.
Von Peter Steiniger. Veröffentlicht in: junge Welt, 1.8.2017, Seite 8, Link