Pedro Passos Coelho steht ohne Braut da. Das Werben des portugiesischen Premierministers um einen Bund mit der Sozialistischen Partei (PS) in der kommenden Legislatur war erfolglos. Die Zwei-Parteien-Koalition „Portugal à Frente“ (Vorwärts Portugal, PàF) aus seiner liberal-konservativen PSD und der CDS-PP war aus den Parlamentswahlen am 4. Oktober zwar als stärkste Kraft hervorgegangen. Zugleich jedoch hatte das rechte Lager gegenüber der Abstimmung vor vier Jahren massiv verloren und seine Mehrheit an Abgeordneten in der 230 Sitze umfassenden Assembleia da República eingebüßt. Als Quittung für die harte Sparpolitik des EU-Musterschülers ging diese nun an Sozialisten (PS), den Linksblock (BE) und das Bündnis CDU aus Kommunisten (PCP) und Grünen. 43 Prozent der Wahlberechtigten waren den Wahlurnen gleich ganz fern geblieben. Passos Coelho, der sich als Wahlsieger betrachtet, forderte unverzüglich die PS zur Zusammenarbeit auf.
Die größte Oppositionspartei, ihr Spitzenkandidat war der frühere Lissaboner Bürgermeister António Costa, hatte mit 32,4 Prozent ihr Wahlziel deutlich verfehlt. Eine große Koalition hatte Costa bereits im Wahlkampf ausgeschlossen. CDU und BE hatte er vorgeworfen, reine Protestpolitik zu betreiben und die Verantwortung zu scheuen. Seine Partei war an der Einleitung der Rotstiftpolitik wesentlich beteiligt, 2011 hatte die PS-Regierung von José Sócrates bei vorgezogenen Wahlen die Macht verloren. Im selben Jahr musste Portugal zur Abwendung eines Staatsbankrotts Finanzhilfen in Höhe von 78 Milliarden Euro erbitten und verpflichtete sich in einem „Memorandum“ mit der „Troika“ aus EU, Europäischer Zentralbank und IWF zu einschneidenden Sparmaßnahmen und Reformen. Viele potentielle Wähler der Sozialisten hatten ihre Stimme nun dem Linksblock gegeben, der mit 19 Abgeordneten zur drittstärksten Fraktion im Lissaboner Parlament aufstieg. Auch die kommunistisch geführte Wahlkoalition CDU legte zu und hat dort nun 17 Sitze inne. Sowohl die KP als auch der Linksblock erklärten nach der Wahl ihre Bereitschaft dazu, einen Regierungswechsel herbeizuführen. Die PCP betont, dass eine Ablösung der Regierung aus PSD und CDS dem Mehrheitswillen der Bevölkerung entspreche und an ihr nicht scheitern werde. Die Kommunisten, welche die PS stets für das Mittragen rechter Politik kritisiert hatten, seien „darauf vorbereitet und bereit dazu, Verantwortung zu tragen, das Regieren eingeschlossen“, um einen Bruch mit einem für das Land verhängnisvollen Kurs herbeizuführen.
Während Costa den Mahnungen und Lockrufen der PàF bislang nicht folgte und die Verhandlungen mit Passos Coelho rasch scheitern ließ, war nach den Konsultationen der PS mit Linksblock und Kommunisten von Annäherung und Optimismus die Rede, zuletzt allerdings gedämpfter. Vereinbarungen wurden nicht bekannt. Auf einer Veranstaltung ihrer Partei am vergangenen Dienstag in Porto brachte BE-Vorsitzende Catarina Martins neben der Hoffnung auf einen Wechsel zum Ausdruck, dass „die Gefahr einer von der PS gestützten Rechtsregierung groß ist“. Politische Beobachter in Portugal kommen zu völlig gegensätzlichen Einschätzungen darüber, was taktische Manöver sind und welchen Kurs Costa tatsächlich verfolgt. Auch ist keineswegs sicher, dass die Fraktion einen Linksschwenk des PS-Generalsekretärs geschlossen mittrüge. Selbst die Möglichkeit baldiger Neuwahlen ist im Gespräch.
Am Mittwoch empfahlen sich sowohl der Noch-Premier als auch António Costa bei Staatspräsident Aníbal Cavaco Silva als fähig und willig, eine neue Regierung zu bilden. Cavaco hatte sie aufgefordert, eine Lösung zu finden, welche „die politische Stabilität und die Regierbarkeit des Landes“ garantiere. Der konservative Politiker könnte noch in dieser Woche den Auftrag zur Regierungsbildung erteilen. PCP-Generalsekretär Jerónimo de Sousa ließ diesen wissen, dass ein Auftrag an Passos Coelho „eindeutig Zeitverschwendung wäre“. Die Mehrheitsverhältnisse im Parlament sprächen dafür, der PS die Initiative zu übertragen.
Von Peter Steiniger, erschienen in: junge Welt vom 22. Oktober.2015, S.7, Link