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Appell zum Widerstand

Es ist alljährlich das mit Abstand größte politisch-kulturelle Ereignis des Landes: Auch die bereits 35. Ausgabe der „Festa do Avante!“ wurde am Wochenende zum Anziehungspunkt Hunderttausender. Die internationale Solidarität besonders mit den arabischen Völkern und den progressiven Kräften in Lateinamerika sowie der Kampf gegen den NATO-Imperialismus prägten viele der Debatten und Konzerte. Das dreitägige Presse- und Volksfest der Portugiesischen Kommunistischen Partei (PCP) und ihres Zentralorgans Avante auf der Quinta da Atalaia, einem ehemaligen Landgut nahe der Hauptstadt Lissabon, leitete für den Herbst eine neue Welle des Widerstands gegen den Pakt der Regierenden mit der Troika aus Internationalem Währungsfonds, Weltbank und EU ein.

Auf der Abschlußkundgebung am Sonntag nachmittag rechnete KP-Generalsekretär Jerónimo de Sousa scharf mit der Politik der seit zwei Monaten neu im Amt befindlichen Rechtsregierung von PSD und CDS unter José Passos Coelho ab und ebenso mit deren sozialistischen Vorgängern. Das Fest falle in eine Zeit, in der die große Mehrheit der Portugiesen „mit brutalen Angriffen auf ihre Lebensbedingungen“ und das Land „von neuen und drastischen Einschränkungen seiner Souveränität“ bedroht sei. Die Erhöhung von Steuern auf Gas und Elektrizität, die harten Einschnitte in den Bereichen Gesundheit, Bildung, Justiz und bei den lokalen Verwaltungen stellten eine neue Eskalationsstufe von Attacken gegen den öffentlichen Dienst und die Arbeitenden überhaupt dar. Schulen werden geschlossen, Tausende Lehrkräfte stehen vor der Entlassung.

Als „skandalös“ bezeichnete de Sousa die Erhöhung der Fahrpreise im Nahverkehr. Dies sei ein „Überfall“ und ein „Raub der Einkommen“ der kleinen Leute und diente dazu, die „Türen zur Privatisierung“ der Transportunternehmen zu öffnen. Mit dem Argument, den Staat zu „verschlanken“, würden diesem wichtige soziale Funktionen genommen, um solche Felder für große Privatunternehmen profitabel zu machen. Die Haushaltsstrategie der Regierung für die Jahre 2011 bis 2015 werde die Probleme des Landes nicht lösen, sondern verschärfen. Sie führe zu wirtschaftlicher Stagnation und dem Verlust weiterer Arbeitsplätze.Während die Armut wachse und das Leben von Millionen Portugiesen härter werde, setze sich die Konzentration des Reichtums in der Hand weniger fort, die sich in Steueroasen flüchteten. Die PCP fordere dagegen ein gerechtes Steuersystem und Maßnahmen zur Ankurbelung der Binnenwirtschaft und zur Erhöhung der Produktivität. Besonders appellierte KP-Chef de Sousa an die Jugend, deren Zukunftschancen mit der Troika-hörigen Politik verspielt würden. Die Kommunisten unterstützen die für den 1. Oktober angekündigten Massenproteste des Gewerkschaftsdachverbandes CGTP, der eine wichtige Kraftprobe mit den Regierenden darstellen wird.

Von Peter Steiniger, Lissabon. Quelle: Tageszeitung junge Welt, Dienstag, 6. September 2011, Nr. 207, S.2. https://www.jungewelt.de/2011/09-06/031.php

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