Nach dem Wechsel von George W. Bush zu Barack Obama im Weißen Haus ist Bewegung in die US-Politik gegenüber Kuba gekommen. Washingtons Außenministerin Hillary Clinton sieht mehr Fortschritte „in den letzten vier Monaten als in etlichen Jahren“ zuvor.
Im Frühjahr stellte ein Bericht an den Auswärtigen Ausschuß des US-Kongresses die „Ineffektivität“ von fünf Jahrzehnten Blockadepolitik fest. Das Embargo zur Erzwingung eines „Regimewechsels“ auf der roten Insel stehe nationalen US-Interessen sogar entgegen. Es sei Zeit für eine „Neubewertung“ und „Normalisierung“ der Beziehungen, hieß es. An Stelle der gescheiterten Embargopolitik solle eine Strategie gewählt werden, die Kuba in den kapitalistischen Weltmarkt – über Kreditvergaben und Institutionen wie Weltbank und IWF – stärker einbindet.
Als Bote eines heraufziehenden Tauwetters im frostigen bilateralen Verhältnis reiste im Frühjahr eine Gruppe demokratischer US-Kongreßabgeordneter um Barbara Lee, die dem Black Caucus der afroamerikanischen Parlamentsmitglieder vorsteht, nach Havanna. Ihre kubanischen Gesprächspartner mit Präsident Raúl Castro an der Spitze signalisierten ihrerseits den Willen zum Dialog mit dem großen Nachbarn – bei gegenseitiger Achtung von Souveränität und Selbstbestimmung. „Wir brauchen keineswegs die Konfrontation, um zu überleben, wie einige Dumme denken“, kommentierte der erkrankte Revolutionsführer Fidel Castro.
Im April beseitigte die US-Regierung Restriktionen für Reisen und Geldtransfers für die etwa zwei Millionen kubanischstämmigen US-Bürger, die mit Schwerpunkt Florida in den Vereinigten Staaten leben. Etwa zur selben Zeit unterbreitete Barack Obama auf dem Gipfel der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) im Karibikstaat Trinidad und Tobago Offerten: Er suche einen „Neuanfang mit Kuba“. Die USA sprachen sich mit den anderen 33 OAS-Staaten für eine Wiedereingliederung Havannas in die Organisation aus. 1962 war das Land auf Initiative Washingtons hin wegen seiner „marxistisch-leninistischen“ Ausrichtung aus dem Bündnis verbannt worden. Kuba war Topthema des OAS-Meetings. Einmütig wie nie zuvor forderten die Staatsführer Lateinamerikas die restlose Aufhebung der US-Wirtschafts- und Handelsblockade.
Die Linksentwicklungen und das gewachsene Selbstvertrauen in Lateinamerika bilden ein wesentliches Motiv für die Änderung der US-amerikanischen Kuba-Politik. Washington will die weitgehende Isolation überwinden, in die man sich unter Bush manövriert hat, um Einflußmöglichkeiten auf dem Kontinent zurückzugewinnen.
Ebenso verlangen nüchterne Wirtschaftsinteressen nach Veränderung. Trotz der Blockade liegt das gemeinsame Handelsvolumen bereits jetzt bei etwa einer Milliarde Dollar jährlich. Auf der Karibikinsel sind infolge von Embargo und wirtschaftlicher Misere Investitionen in die Infrastruktur dringlich. Als attraktives touristisches Ziel ist es für US-Amerikaner legal nur auf Umwegen erreichbar. Nicht zuletzt schielt die energiehungrigste Nation auf Kubas Ölvorkommen, die auf fünf Millionen Barrel geschätzt werden und tief unter dem Golf von Mexiko auf die Erschließung warten. Konkurrenten wie Brasilien, Rußland oder China sitzen dafür bereits aussichtsreich in den Startlöchern.
Mitte Juli wurde in New York der Dialog über Einwanderungsfragen erneuert. Er soll zu einer „legalen und geordneten Migration“ beitragen. Gespräche dazu waren 2004 durch die Bush-Regierung ausgesetzt worden. Kubaner sind in den USA gegenüber Immigranten aus anderen Ländern als Einwanderer rechtlich privilegiert und so einerseits zum Kommen ermutigt. Andererseits hält Washington seit Jahren die zugesagte Zahl an Visa nicht ein. Nach den Gesprächen äußerten sich beide Seiten positiv. Kuba hat vorgeschlagen, auch über eine Wiederaufnahme des direkten Postverkehrs zwischen beiden Ländern zu reden.
Eine förmliche Aufhebung der Blockade ist auch unter Obama vorerst nicht zu erwarten. Für die US-Eliten bleibt das „kommunistische Regime“ 80 Meilen vor Florida ein Haßobjekt. Der politische Einfluß rechter Exilkubaner ist nach wie vor beträchtlich. Allerdings spricht sich die Mehrheit der jüngeren US-Kubaner mittlerweile gegen das Embargo aus. Auch die Strategen in Washington haben erkannt, daß Dollars wirksamer sein können als Blockade-Brecheisen.
Obamas neue Kuba-Politik sieht keinesfalls vor, Kuba seinen eigenen Weg zuzugestehen. Auch mit ihr soll auf der Insel ein „Übergang zur Demokratie“ durchgesetzt werden, heißt es in einer Erklärung des Präsidenten – wortgleich wie bei seinem Vorgänger Bush. Die US-Seite proklamiert „fundamentale Rechte und Freiheiten“ für die Kubaner und fordert regelmäßig die Freilassung „politischer Gefangener“.
Derweil sitzen seit fast elf Jahren fünf kubanische Aufklärer in US-Gefängnissen ein. Die UN-Menschenrechtskommission beurteilt ihre Haft als „willkürlich und ungesetzlich“, das Rechtsverfahren als unfair. Amnesty International sieht durch ihre Behandlung ihre Menschenrechte verletzt. „Los Cinco“, wie sie auf Kuba genannt werden, gehörten zu einer zehnköpfigen Agentengruppe, die in den USA vorbereitete terroristische Aktivitäten gegen Kuba aufdecken und so verhindern wollten.
Die fünf ließen sich nach ihrer Festnahme 1998 auf keinen Deal mit dem FBI ein und wurden letzlich mit konstruierten Anschuldigungen und Mordanklagen vor einer feindlichen Jury in Miami zu abnorm langen Freiheitsstrafen verurteilt. Am 15. Juni lehnte es der Oberste Gerichtshof der USA ab, die Fälle dieser politischen Justizopfer auch nur zu überprüfen. Auf dem Verhältnis USA-Kuba liegt weiterhin ein langer Schatten. Kubas Nationalversammlung protestierte gegen die „Willkür eines korrupten und scheinheiligen Systems“, eine internationale Kampagne unterstützt den Kampf um die Freilassung der fünf.
Von Peter Steiniger. Quelle: https://www.jungewelt.de/beilage/art/2106 Aus: kuba, Beilage der jW vom 22.07.2009