Frau Baronin, wie wurden Sie zur Hausangestellten beim bürgerlichen Geldadel?
Ich bin aus einem akademischen Beruf, doch Hauswirtschaft habe ich immer gerne gemacht. Seit acht Jahren bin ich in sogenannten gehobenen Haushalten als Köchin tätig. Sie müssen wissen: Adel kann auch dienen.
Sie haben Erfahrungen mit der Industriellendynastie Quandt?
Ja, ich war zweieinhalb Jahre bei der Familie von Sven Quandt beschäftigt, habe mich auch um die beiden Kinder gekümmert. Den Herrn Quandt konnte ich glücklich machen mit Schnitzel, Bratkartoffeln und Feldsalat. Oder Kaiserschmarrn – in mehreren Varianten.
Sprach Herr Quandt bei Tisch auch über Politik?
Nein, sein Lebensinhalt ist der Motorsport. Als ich dort anfing, war er noch bei Mitsubishi. Jetzt ist er Chef beim x-Raid-Team.
Der BMW-Erbe war zuletzt nicht in sportlichen Zusammenhängen in den Medien …
Ich habe von dem Film, der neulich in der ARD lief, gehört. Da hat’s bei mir schon geläutet. Es gibt ja über die Quandts genügend Literatur, daß da im Dritten Reich irgendwas gelaufen ist. Ich meine, bei welcher Industriellenfamilie nicht? Die Vergangenheit kann man der Familie nicht vorwerfen. Aber daß sie sehr ignorant mit den noch lebenden Zwangsarbeitern umgehen und sich zu dem Thema einfach nicht positionieren wollen. Sie tun, als wäre ihr Vermögen vom Himmel gefallen. Nun ja, was die Ignoranz betrifft: Ignorant wurde auch mit mir umgegangen.
Gab es weiteres Dienstpersonal?
Außer mir war da noch eine Dame, die die Wäsche gemacht hat, die war aber meistens krank. Das war eine einfach gestrickte Frau, die mich anfangs immer mit Frau Münster ansprach. Das mindeste an Höflichkeit, was man einem Menschen angedeihen lassen kann, ist doch, daß man seinen Namen korrekt ausspricht.
Hat es sich für Sie finanziell gelohnt?
Mir ist ein lächerlicher Betrag gezahlt worden. Großzügig kann man das nicht nennen. Und kaputtschuften kann ich mich auch woanders.
Sie wurden ausgebeutet?
Ich habe für ein Haus mit 750 Quadratmetern Wohnfläche sechs Stunden täglich gehabt, inklusive Einkauf und Putzen. Meine Leistungen sind in keinster Weise gewürdigt worden. Schon gar nicht von der neuen Partnerin des Herrn Quandt – die Dame ist, wie soll ich sagen, aus dem Osten, aus einer anderen gesellschaftlichen Ebene. Wenn die da war, war Polen offen – einfach menschenverachtend. Deshalb rede ich mit Ihrer Zeitschrift.
Sind Sie im akademischen Beruf, den Sie erwähnten, durch ähnliche Höllen gegangen?
Das kann man sagen. Zusammen mit meinem verstorbenen Mann habe ich Bauberatung im Nahen Osten gemacht, allein sieben Jahre im Irak. Der Irak war in den 80er Jahren Deutschlands zweitgrößter Handelspartner.
Wie schätzen Sie die heutige Situation dort ein?
Das ist ein schwieriges Völkergemisch mit einem latenten Gewaltpotential … Diese Sonne dort unten, die macht derart aggressiv, besonders im Frühling.
Rennen die Amerikaner ins Verderben?
Für meine Begriffe hätte man das ein bißchen eleganter lösen können. Eine deutsche Firma hat dem Saddam Hussein schließlich die Bunker gebaut, es gibt Pläne, so ein Bunker hat auch Klimaschächte. Man hätte alle betäubt da raustragen können. Mit Sicherheit wären auch viele Amerikaner noch am Leben. Warum der Bush da auf die Pauke hauen mußte, ist mir völlig schleierhaft.
Interview: Peter Steiniger. Tageszeitung junge Welt, 22.11.2007, https://www.jungewelt.de/2007/11-22/019.php