Es ist schon ein Kreuz mit der Linkspartei. Vor dem Hintergrund des lodernden Führungsstreits wurde die Strategiekonferenz „Neue Kraft voraus! Für eine starke Linke“ am Sonntag im christlichen Tagungshaus am Berliner Hauptbahnhof vor allem auch eine Solidaritätsveranstaltung für Oskar Lafontaine. Einlader war der Verein „Freiheit durch Sozialismus“, unterstützt von Vorstandsmitgliedern und Abgeordneten aus Bund und Ländern.
Sahra Wagenknecht, stellvertretende Vorsitzende und eine der Hauptrednerinnen, wünscht sich eine wieder angriffslustige Partei. Ein Blick nach Europa zeige, daß nicht Anpassung zum Erfolg führe, sondern nur ein Profil mit klaren, radikalen Forderungen. Das gute Abschneiden der französischen Linksfront mit Jean-Luc Mélenchon bei den Präsidentschaftswahlen sei ein Beleg. Die Krise ihrer Partei – mit schlechten Umfragewerten, Führungsquerelen und schmerzlichen Niederlagen deutlich unter der Fünf-Prozent-Hürde – führt die Vertreterin des linken Flügels darauf zurück, „daß wir mit unserem Profil nicht mehr erkennbar gewesen sind“.
Eine zentrale Frage sei das Verhältnis zur SPD. Die habe in der Opposition keine Neuorientierung vorgenommen, sondern klopfe sich für Agenda 2010 und Hartz IV weiter selbst auf die Schulter. Es sei „völlig absurd, in dieser Situation eine strategische Annäherung zu propagieren“. Hier liege die „strategische Differenz“ zu dem von Dietmar Bartsch repräsentierten Lager. Dieses schone die Sozialdemokraten und mache allein Union und FDP für soziale und wirtschaftliche Schieflagen verantwortlich. „Da merkt man doch, worauf das hinausläuft.“
Ihr Appell: „Wir müssen alle unter Druck setzen.“ Die Linke werde dafür gebraucht, „die Systemfrage zu stellen“. Es gehe nicht darum, sich anzudienen, sondern das Vertrauen der Menschen zurückzuerlangen. Unter dem Beifall der etwa 300 Teilnehmer teilte Wagenknecht rhetorische Hiebe in Richtung Bartsch aus. Ziel sei eine starke, geeinte Linke. „Deshalb dürfen wir sie nicht jenen überlassen, die aus ihr eine Light-Version machen wollen.“
Bartsch, der auf dem Göttinger Parteitag der Linken am 2./3. Juni für das Amt des Parteivorsitzenden kandidiert, ist in den Augen vieler Teilnehmer des Treffens Repräsentant der machtopportunistischen Funktionärskaste. Der Abgeordnete Diether Dehm erinnerte an Bartschs Agieren vor der Bundestagswahl 2002. „Vergessen wir nicht, wer uns in die Niederlage geführt hat.“ Klaus Linke aus Strausberg, der über Grüne und PDS den Weg zur Linkspartei fand, meinte in Anspielung auf den staatstragenden Konformisten Joseph Fischer, damals grüner Außenminister: „Unser Fischer heißt Bartsch.“
Das Bartsch-Bashing setzte emotionale Höhepunkte, die Debatten drehten sich allerdings in ihren Schwerpunkten um eine konsequent linke Strategie und Praxis angesichts der Krise des neoliberalen Modells und Die Linke als Bewegungspartei. Auf der Konferenz wurde deren „akzeptierte und sichtbare Mitwirkung“ bei den „Blockupy“-Protesten in Frankfurt am Main beispielhaft hervorgehoben.
Exparteichef Oskar Lafontaine, der für seine Rückkehr an die Parteispitze den Verzicht von Bartsch auf eine Bewerbung zur Bedingung macht, stellte in den Mittelpunkt seiner Ausführungen am Sonntag nachmittag die Frage von Macht und Eigentum. Es werde verschleiert, sagte er, woher der Reichtum weniger stamme. Im Gespräch mit junge Welt schloß der saarländische Fraktionsvorsitzende eine eigene Kampfkandidatur gegen Bartsch definitiv weiter aus. Das sei nichts für seine Lebenssituation.
„Ich stehe für einen politischen Kurs, und den werde ich auch zu vertreten wissen.“ Einen Mitgliederentscheid der Basis hält er bei einer Doppelspitze für ungeeignet, da die Führungsspitze stimmig sein müsse. „Dieses Problem kann man nicht hinter einem demokratischen Mäntelchen verstecken.“
„Sehr zufrieden“ zeigten sich die Konferenzveranstalter. Moderator Martin Hantke lobte: „Die breite Teilnahme aus allen Bundesländern widerlegt das so oft propagierte Ost-West-Schema.“ Das Treffen sei ein wichtiger Schritt zur Formierung der Parteilinken im Vorfeld des Parteitages.
Von Peter Steiniger. Veröffentlicht in: Tageszeitung junge Welt, 21.05.2012, Nr. 117, S.3, https://www.jungewelt.de/2012/05-21/044.php