Männerhatz in Schweden?

Wie jeder Mann weiß, ist Schweden eine einzige Falle. Denn auf schlechten Sex steht im Norden Kittchen: Nach dortigem Recht könne Nötigung oder Vergewaltigung bereits dann vorliegen, „wenn sich eine Frau nach dem Sex unwohl fühle oder ausgenutzt vorkomme“, verbreitete faz.net. Ein Leser von Springers Welt klagte mit Blick auf eine Klage gegen Wikileaks-Gründer Julian Assange: „Wer schützt die Männer? Auch hierzulande gilt: Wenn zwei Frauen sich einig sind, hat vor Gericht kaum ein Mann eine Chance.“

Tatsächlich werden nach einer EU-Studie in Schweden pro Kopf 20mal so viele Vergewaltigungen angezeigt wie in Frankreich. Doch weniger als zehn Prozent der verhandelten Fälle münden in einer Verurteilung vor Gericht. Die Anzeigebereitschaft dürfte auch Ausdruck des relativ hohen Grades an Gleichstellung und ökonomischer Selbständigkeit der Frauen sein. Im Fall Assange hatten sich zwei Frauen an die Polizei gewandt, die er während einer Vortragsreise im August in Schweden kennengelernt hatte. Es folgte eine Anklage wegen sexueller Nötigung und „minderschwerer“ Vergewaltigung. Nach Medienberichten soll Assange mit dem Kondom geschlampt und sich einer Schlafenden aufgedrängt haben.

Was sagt nun das schwedische Sexualstrafrecht? Zum 1.April 2005 wurde es novelliert. Dabei wurde der Tatbestand der Vergewaltigung in Kapitel 6 des Strafgesetzbuches auf Delikte ausgeweitet, die vorher als sexueller Mißbrauch galten. Es ist nun nicht mehr entscheidend, ob das Opfer sich gewehrt hat. Eine Vergewaltigung liegt danach auch dann vor, wenn sich eine Person in einem hilflosen Zustand befand, also betäubt oder betrunken war oder schlief. Gleichwohl wird zwischen weniger gravierenden und groben Delikten unterschieden.

Die Dreiecksgeschichte um Julian Assange fällt in eine Zeit, in der die Internetplattform Wikileaks durch die Veröffentlichung von Tausenden vertraulichen US-Botschaftsdepeschen einmal mehr zur Zielscheibe geworden ist. Der Mann, der den Mächtigen die Hosen herunterzieht, durfte sich auch vor „schmutzigen Tricks“ nicht sicher fühlen. Die schwedische Politik hat sich unter konservativer Führung noch tiefer ins Fahrwasser der US-Administration begeben. Diese Konstellation nährt den Verdacht, daß im Fall des Wikileaks-Gründers ein besonderer Verfolgungseifer an den Tag gelegt wird. Solchen gibt es bei der Kombination Prominenz und Sex auch hierzulande, wie der Fall Kachelmann zeigt. Für den Nachweis eines Komplotts fehlen den Assange-Fans allerdings Belege. An ihre Stelle treten Glaubensfragen, Geifer gegen den Feminismus und Denunziation.

Die Klägerinnen Anna A. (31) und Sofie W. (21) wurden zu öffentlichen Personen gemacht, ihre Glaubwürdigkeit in Frage gestellt. Politische Motive, Geldgier oder langkettige Konstruktionen, welche Anna A. mit der CIA in Verbindung bringen, werden dazu bemüht. In Schweden selbst ist auch die Linkspresse sehr zurückhaltend in der Beurteilung des Falls. Sie konzentriert sich auf die Verteidigung von Wikileaks als Instrument der Informationsfreiheit.

Von Peter Steiniger. Quelle: https://www.jungewelt.de/2010/12-24/012.php